Entscheidungsstichwort (Thema)

Organisationsanweisung des Anwalts für den Fall der Störung gerichtlicher Faxanschlüsse

 

Leitsatz (amtlich)

Sind mehrere Telephonnummern vorhanden und bekannt, unter denen bei einem Gericht die Übermittlung per Telefax eröffnet und möglich ist, so dürfen im Falle offenbar gerichtsseitig auftretender Empfangsschwierigkeiten die wiederholten Übermittlungsbemühungen nicht auf eine Nummer beschränkt werden.

Mit der bloßen Anweisung "dass Faxübermittlungen für den Fall, dass diese nicht sofort erfolgen können, wiederholt werden, bis das Fax verschickt wurde" genügt der Rechtsanwalt seiner diesbezüglichen Organisationspflicht nicht; eine Wiedereinsetzung gegen die Fristversäumung kommt danach nicht in Betracht, wenn unter nicht verwendeten Alternativnummern ein fristwahrender Zugang möglich gewesen wäre.

 

Normenkette

ZPO § 233

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Urteil vom 30.05.2006; Aktenzeichen 613 F 3406/05)

 

Tenor

Das Wiedereinsetzungsgesuch des Klägers gegen die Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - FamG - Hannover vom 30.5.2006 wird gem. § 522 Abs. 1 ZPO auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert für die Berufungsinstanz: Gebührenstufe bis 5.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Nach einem gerichtlichen Vergleich vom 15.7.1999 war der Kläger zu nachehelichem Unterhalt in monatlicher Höhe von 1.227,10 EUR (2.400 DM) verpflichtet. Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Kläger die Abänderung dieses Unterhaltstitels auf - zeitlich gestaffelt wechselnde - geringere Beträge. Seiner Klage ist mit dem Urteil des AG vom 30.5.2006, das seiner Prozessbevollmächtigten am 2.6.2006 zugestellt worden ist, nur teilweise entsprochen worden.

Am Dienstag den 4.7.2006 um 7:47 Uhr wurde per Fax beim OLG durch die - am OLG zugelassene und in Hannover ansässige - Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen das amtsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. (Erst) Nachdem der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 7.7.2006 darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung nach Ablauf der - mit dem 3.7.2006 endenden - Berufungsfrist eingelegt worden ist, hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 11.7.2006 per Fax (im Original und erstmals mit vollständigen Anlagen eingegangen am 13.7.2006) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.

Sie hat dazu insb. behauptet, am 3.7.2006 habe aufgrund eines Defektes der Faxgeräte im OLG Celle die Zustellung per Fax nicht vorgenommen werden können, so dass der Kläger unverschuldet eine fristgerechte Berufungseinlegung versäumt habe.

Zudem hat sie - unter Vorlage teilweise entsprechender eidesstattlicher Versicherungen sowie eines Ausdruckes des Protokolls ihrer Fax-Anlage - weitere Angaben zur Vorgeschichte gemacht. Die Büroleiterin habe am 3.7. bei der abschließenden Kontrolle des Fristenkalenders festgestellt, dass die - geschriebene, aber noch nicht unterzeichnete - Berufungsschrift im vorliegenden Verfahren noch nicht versandt worden war; sie habe - bevor sie das Büro verließ - eine Auszubildende im ersten Lehrjahr angewiesen, die Berufungsschrift unterzeichnen zu lassen und sofort dem OLG zuzufaxen; eine entsprechende Anweisung sei anlässlich der Unterzeichnung auch noch einmal von der Prozessbevollmächtigten erteilt worden. Die Auszubildende habe mehrere erfolglose Versuche der Übermittlung - zunächst unter der Zentralnummer 206-208, sodann unter der Durchwahlnummer des zuständigen Senates 206-10-489 - unternommen; das vorgelegte Faxprotokoll weist insofern zwischen 18:04 und 18:31 Uhr drei Versuche aus, einen unter der Durchwahlnummer des Senates (18:04 - Ergebnis: "NEIN") sowie zwei unter der Zentralnummer (18:18 - Ergebnis "NEIN" und 18:31 - Ergebnis: "BSTZT"). Auf die Frage der Prozessbevollmächtigten in einer kurzen Besprechungsunterbrechung habe die Auszubildende - in der auf der Rückmeldung "Besetzt" beruhenden Annahme einer alsbald möglichen Übermittlung - bestätigt, das Fax sei bereits versandt. Tatsächlich habe sie das nach wie vor unerledigte Fax mit einem entsprechenden Hinweis versehen auf dem Arbeitsplatz einer erst in den Abendstunden tätigen weiteren Mitarbeiterin hinterlassen. Auch deren weitere Zustellversuche seien erfolglos geblieben; das vorgelegte Faxprotokoll weist insofern am 3.7.2006 nur noch einen Versuch unter der Zentralnummer (23:39 Uhr - Ergebnis: "NEIN") auf sowie einen weiteren unter der Zentralnummer am 4.7.2006 (0:13 Uhr - Ergebnis "NEIN").

Der Berichterstatter hat mit Verfügung vom 3.8. die Parteien über die im Hause angestellten Ermittlungen zu den Übermittlungsmöglichkeiten per Fax am 3.7.2006 informiert und dem Kläger Gelegenheit zu danach erforderlichem ergänzenden Vortrag gegeben; in der Verfügung hieß es u.a.:

"... haben die angestellten Ermittlungen im Hause Folgendes ergeben:

Der Faxeingang über die zentrale Eingangsnummer 206-208 war in der fraglichen Zeit (3.7.2006 nachmittags und abends) aufgrund eines Defekt...

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