Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwaltsbeiordnung nach § 78 Abs. 2 FamFG allein zur "Waffengleichheit"

 

Leitsatz (amtlich)

In einer - sachlich die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erfordernden - Kindschaftssache (hier: nähere Ausgestaltung des im Wesentlichen nicht streitigen persönlichen Umgangs) kann sich der dennoch anwaltlich vertretene Antragsteller, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt wird, für die Notwendigkeit einer Anwaltsbeiordnung nicht erfolgreich allein darauf berufen, auch der Antragsgegner sei seinerseits anwaltlich vertreten (Gesichtspunkt der "Waffengleichheit"); dies gilt umso mehr, wenn die Hinzuziehung des gegnerischen Rechtsanwalts durch den wirtschaftlich nicht wesentlich besser gestellten Antragsgegner als Reaktion auf die anwaltliche Vertretung des Antragstellers zu sehen ist.

 

Normenkette

FamFG § 78 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 20.06.2011; Aktenzeichen 605 F 2168/11)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die nicht miteinander verheirateten Eltern der Tochter M. I. N., geb. am ... 2005, die im Haushalt der Kindesmutter lebt. Bis Ende September 2010 lebten die Kindeseltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen.

Nach der Trennung einigten sich die Kindeseltern auf persönlichen Umgang des Antragstellers mit dem Kind in einem zweiwöchentlichen Abstand. Nach Unstimmigkeiten bei der Durchführung des vereinbarten Umgangs, insbesondere zu Ostern dieses Jahres, wandte sich der Kindesvater sodann an das AG - Familiengericht - Hannover und beantragte mit Anwaltsschriftsatz vom 29.4.2011 eine gerichtliche Umgangsregelung sowie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten. Das AG beraumte daraufhin einen zeitnahen Termin zur Anhörung der Beteiligten an und wies den Antragsteller zugleich darauf hin, dass im Falle der Bewilligung der begehrten Verfahrenskostenhilfe eine Anwaltsbeiordnung mangels Anwaltszwangs und Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage nicht als erforderlich erscheine (vgl. zur Hinweispflicht den OLG Celle vom 18.2.2011 - 10 WF 53/11, FamRZ 2011, 1161 = NJW 2011, 1460).

Auf die Zustellung der Terminsladung hin meldete sich die Kindesmutter, ebenfalls anwaltlich vertreten, und beantragte ihrerseits die gerichtliche Regelung des Umgangs, wobei inhaltliche Unterschiede ihres Antrages gegenüber dem des Antragstellers lediglich hinsichtlich der Feiertage und des Umgangs in den Ferien bestanden.

Mit Beschluss vom 20.6.2011 bewilligte das AG dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe, lehnte die Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten jedoch entsprechend dem bei Einleitung des Verfahrens erteilten Hinweis ab. Zuvor hatte es auch der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 3.6.2011 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, eine Anwaltsbeiordnung indes auch dort abgelehnt.

Gegen die Versagung der Anwaltsbeiordnung richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der sich insbesondere auf die anwaltliche Vertretung der Antragsgegnerin beruft. Diese hat die sie betreffende Versagung einer Anwaltsbeiordnung nicht angefochten. Das AG hat der Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen. Der Einzelrichter hat die Sache auf den Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie kann in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.

Zu Recht hat das AG dem Antragsteller die Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 78 Abs. 2 FamFG versagt, weil eine Vertretung durch Rechtsanwälte im hier vorliegenden Umgangsverfahren nicht vorgeschrieben ist und mangels Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage auch nicht als erforderlich erscheint. Angesichts der im Rahmen der Beurteilung der Erforderlichkeit gebotenen einzelfallbezogenen Prüfung besteht zwar ein Regel-Ausnahme-Verhältnis im systematischen Sinne nicht. Vielmehr ist unter Heranziehung der objektiven und subjektiven Merkmale des Falles zu prüfen, ob sich das Verfahren für den konkreten Beteiligten wegen einer schwierigen Sachlage oder einer schwierigen Rechtslage so kompliziert darstellt, dass auch ein bemittelter Beteiligter einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde (BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09, BGHZ 186, 70 ff. = FamRZ 2010, 1427 [Tz. 14]). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch, wie das AG zutreffend festgestellt hat, nicht gegeben. Weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht sind im vorliegenden Fall Grundlagen dafür gegeben, von einer die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gebietenden Schwierigkeit der Sach- und/oder Rechtslage auszugehen; auch ein Beteiligter, der selbst zur Aufbringung der entstehenden Kosten in der Lage wäre, hätte vorliegend vernünftigerweise die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht für erforderlich erachtet.

Im vorliegenden Verfahren ist zwischen den beteiligten Elternteilen unstreitig, dass persönlicher Umgang des Kindesvater mit seiner annähernd sechs Jahre alten Tochter regelmäßig und dies im zweiwöch...

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