Leitsatz (amtlich)

Beurkundet ein Notar außerhalb seines Amtssitzes, aber innerhalb seines Amtsbereiches, in den Räumlichkeiten der überörtlichen Sozietät, bei der er gleichzeitig als Anwalt tätig ist, ohne dass er eine Genehmigung zur Unterhaltung einer weiteren Geschäftsstelle hat, verstößt er jedenfalls dann gegen das Verbot aus § 10 Abs. 4 BNotO, wenn er es gleichzeitig unterlässt, die Urkundsbeteiligten auf die Entstehung einer Auswärtsgebühr nach § 58 KostO hinzuweisen und nach außen den Eindruck erweckt, gebührenrechtlich mache es keinen Unterschied, ob er an seiner Geschäftsstelle oder in den auswärtigen Kanzleiräumen beurkundet.

 

Normenkette

BNotO §§ 10, 17, 29; KostO § 58

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 01.12.2010; Aktenzeichen 1 BvR 1747/10)

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung vom 28.12.2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert für das Verfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.1. Der Notar betreibt als Rechtsanwalt gemeinsam mit den Rechtsanwälten und Notaren W. B. und A. G. sowie der Rechtsanwältin G. eine überörtliche Rechtsanwaltssozietät. Die Kanzleiräume der Sozietät befinden sich in R. und L. Der Antragsteller hat wie der Notar G. seinen Amtssitz in R.; der Notar B. hat seinen Amtssitz in L. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben aus dem Schriftsatz vom 22.8.2008 feste anwaltliche Sprechzeiten in L., und zwar montags von 17:00 Uhr bis 18:00 Uhr und donnerstags von 15:00 Uhr bis 16:00 Uhr.

Im Jahr 2006 hat der Antragsteller insgesamt 674 Beurkundungen vorgenommen. 119 Beurkundungen erfolgten außerhalb der notariellen Geschäftsstelle in R. Hiervon fanden 113 Beurkundungen in den Räumen der Rechtsanwaltskanzlei in L. und 6 Beurkundungen an anderen Orten statt. Bei 91 Fällen der Auswärtsbeurkundungen in L. erfolgten diese am selben Tage, an dem der Antragsteller auch Beurkundungen an seinem Amtssitz in R. vornahm. 89 Auswärtsbeurkundungen erfolgten an den beiden Wochentagen in L., an denen der Notar seine anwaltliche Sprechzeit ausübte. Nur in einem Fall erhob der Notar eine Auswärtsgebühr.

2007 nahm der Notar insgesamt 791 Beurkundungen vor; hiervon waren 121 Auswärtsbeurkundungen. 114 Beurkundungen erfolgten in den Räumen der Rechtsanwaltskanzlei in L., 7 Fälle an anderen Orten. Hierbei nahm der Notar in 88 Fällen am selben Tage sowohl Beurkundungen in R. als auch in L. vor. 80 Beurkundungen erfolgten an anwaltlichen Sprechtagen des Antragstellers. In vier Fällen hat der Notar eine Auswärtsgebühr nacherhoben.

Der Notar hat in keinem Fall der Auswärtsbeurkundung darauf hingewiesen, dass durch die Beurkundung an einem Ort außerhalb seines Amtssitzes eine Auswärtsgebühr entstehen könnte.

Wegen des Weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen der Disziplinarverfügung des Präsidenten des LG A. vom 8.9.2009 Bezug genommen.

2. Der Präsident des LG A. hat mit der angefochtenen Disziplinarverfügung vom 8.9.2009 gegen den Notar eine Geldbuße von 5.000 EUR wegen schuldhafter Verletzung seiner Amtspflichten als Notar verhängt. Zur Begründung führt die Disziplinarverfügung aus, der Notar habe gegen § 10 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 BNotO verstoßen, da er in den Jahren 2006 und 2007 eine weitere notarielle Geschäftsstelle unterhalten habe, ohne über eine entsprechende Genehmigung zu verfügen. Er habe in L. über die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen zur Ausübung des Notaramtes verfügt und diese ausgenutzt. Der Notar habe vorsätzlich gehandelt, da ihm die tatsächlichen Umstände seiner Beurkundungstätigkeit bekannt gewesen seien. Der Notar habe ferner durch sein Verhalten in 241 Fällen mittelbar gegen seine Gebührenerhebungspflicht nach den §§ 17 BNotO, 58 KostO verstoßen, indem er das Entstehen der Auswärtsgebühr pflichtwidrig verhindert habe. Er habe es unterlassen, die Urkundsbeteiligten in den in der Disziplinarverfügung näher aufgeführten Fällen ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass bei einer Beurkundung außerhalb der Geschäftsstelle eine Auswärtsgebühr nach § 58 KostO entstehen könne. Auch insoweit habe der Antragsteller vorsätzlich gehandelt. Ferner habe er durch sein Verhalten in diesen Fällen gegen § 29 Abs. 1 BNotO verstoßen, da der Notar in einer seinem öffentlichen Amte widersprechenden Art und Weise geworben habe. Der Anschein amtswidriger Werbung sei dadurch entstanden, dass der Notar sich bereit erklärt habe, Beurkundungen außerhalb seiner Geschäftsstelle vorzunehmen, ohne auf die in der Regel entstehende Zusatzgebühr hinzuweisen und diese zu erheben. Vielmehr habe er den Eindruck erweckt, über zwei Geschäftsstellen zu verfügen und problemlos, insbesondere ohne jegliche Mehrkosten Beurkundungen vornehmen zu können. Dies sei vorsätzlich geschehen. Außerdem sei in seinem Verhalten auch ein allgemeiner Verstoß gegen die Amtspflichten aus § 14 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BNotO zu sehen, da sich der Notar durch sein Beurkundungsverhalten amtspflichtwidrig einen Wettbewerbsvorteil in vo...

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