Leitsatz (amtlich)

Eine Untersuchungs- und Vorführungsanordnung ist bei verfassungsgemäßer Auslegung des § 68b Abs. 3 S. 2 FGG zumindest dann anfechtbar, wenn gleichzeitig die Befugnis zur Anwendung von Gewalt gegen den Betroffenen und/oder die Erlaubnis zum gewaltsamen Zutritt zu dessen Wohnung erteilt wird.

 

Normenkette

FGG § 68b Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Beschluss vom 21.08.2006; Aktenzeichen 8 T 74/06)

AG Dannenberg (Aktenzeichen 3 XVII S 659)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Betroffenen wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt (§ 28 Abs. 2 FGG).

 

Gründe

I. Der 84-jährige Betroffene lebt zusammen mit den Familien seines Sohnes sowie seines Enkelsohnes auf dem Hofgrundstück ... in ... . Dem Betroffenen steht ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnrecht auf dem Hof in Form eines Altenteils zu. Innerhalb der Familie gibt es Differenzen. Dabei wird dem Betroffenen seitens seines Sohnes K. sowie dessen Sohn J. u.a. vorgeworfen, dass er deren Familienmitglieder bedrohe und mit seinem Pkw viel zu dicht an auf dem Hof befindlichen Personen vorbeifahre. So sei er am 9.7.2006 so dicht an seinen erst zweijährigen Urenkel T. herangefahren, dass jener nur durch ein Eingreifen seines Vaters, des Enkels J. des Betroffenen habe in Sicherheit gebracht werden können. Der Betroffene stellt diesen Vorfall sowie die anderen Vorwürfe in Abrede. Mit diesen würden Teile seiner Familie versuchen, ihn aus dem Haus und vom Hof zu "vergraulen".

Auf ein Schreiben des Sohnes K. des Betroffenen vom 10.7.2006 (Bl. 2 d.A.) hat die Betreuungsbehörde am 12.7.2006 (Bl. 1 d.A.) ggü. dem AG Lüchow-Dannenberg angeregt, die Erforderlichkeit der Einrichtung einer Betreuung für den Betroffenen zu überprüfen. Das AG Lüchow-Dannenberg hat daraufhin einen Arzt mit der Erstellung eines Betreuungsgutachtens beauftragt (Bl. 3 rück d.A.).

Die vom Betroffenen eingeschalteten Verfahrensbevollmächtigten haben sowohl der Notwendigkeit einer Betreuungsanordnung als auch der Beauftragung eines Sachverständigen widersprochen. Sie haben angekündigt, dass der Betroffene der Terminsladung des Sachverständigen nicht Folge leisten werde (Bl. 8 d.A.). Unter Vorlage eines aktuellen Attestes des Hausarztes des Betroffenen (Bl. 11 d.A.) haben sie weiterhin darauf hingewiesen, dass der Betroffene körperlich und geistig leistungsfähig sei. Im Übrigen haben sie eine persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Gericht - wenn gleich im Beisein seines Sohnes K. ausdrücklich angeboten (Bl. 10 d.A.).

Gemäß § 68 Abs. 3 FGG hat das AG Dannenberg mit Beschluss vom 4.8.2006 (Bl. 18 d.A.) die Untersuchung des Betroffenen sowie dessen Vorführung zu dieser Untersuchung angeordnet. Darüber hinaus hat das AG zur Ausführung seines Beschlusses die Anwendung von Gewalt sowohl gegen den Betroffenen als auch zur Öffnung seiner Wohnung gestattet.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 10.8.2006 (Bl. 33 d.A.) hat das LG Lüneburg mit Beschluss vom 21.8.2006 (Bl. 55 d.A.) als unzulässig verworfen. Nach § 68b Abs. 3 S. 2 FGG sei die Entscheidung des AG unanfechtbar. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner weiteren Beschwerde vom 1.9.2006 (Bl. 65 d.A.).

II.1. Die weitere Beschwerde des Betroffenen ist zulässig. Die Zulässigkeit der weiteren Beschwerde des Betroffenen ist dabei nicht von der Zulässigkeit der (Erst)Beschwerde gegen die Entscheidung des AG abhängig, sondern unabhängig davon zu beurteilen. Die Beschwerdeberechtigung des Betroffenen folgt hier bereits daraus, dass das LG Lüneburg seine Beschwerde verworfen hat (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, 15. Aufl., Rz. 10 zu § 27). Die weitere Beschwerde des Betroffenen muss nach Auffassung des Senats auch in der Sache Erfolg haben, da seine (Erst)Beschwerde gegen die Entscheidung des AG sowohl zulässig als auch begründet ist. Da der Senat dies jedoch nicht feststellen kann, ohne von Entscheidungen anderer OLG abzuweichen, ist eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG erforderlich. Im Einzelnen:

2. ...

2a) Die Diskussion, ob bereits die Entscheidung, ein Gutachten zur Betreuungsnotwendigkeit einzuholen, gesondert mit der Beschwerde anfechtbar ist (so KG v. 12.9.2000 - 1 W 6183/00, MDR 2001, 335 = KGReport Berlin 2001, 12 = FamRZ 2001, 311; v. 11.9.2001 - 1 W 315/01, KGReport Berlin 2002, 39 = FamRZ 2002, 970) oder ob es sich dabei um eine unanfechtbare Zwischenentscheidung handelt (BayObLG v. 14.6.1995 - 3Z BR 51/95, BayObLGReport 1995, 85 = FamRZ 1996, 499; OLG Düsseldorf v. 20.4.1999 - 7 WF 47/99, FamRZ 2000, 249; FGPrax 2001,78; OLG Brandenburg v. 18.7.1996 - 9 Wx 19/96, OLGReport Brandenburg 1997, 55 = FamRZ 1997, 1019; OLG Hamm v. 20.6.1996 - 15 W 143/96, FamRZ 1997, 440; OLG Zweibrücken v. 2.3.2000 - 3 W 35/00, OLGReport Zweibrücken 2000, 557 = FamRZ 2000, 1441) kann vorliegend dahinstehen. Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist nämlich nicht die Entscheidung des AG Dannenberg vom 18.7.2006, überhaupt ein Gutachten einzuholen, sondern vielmehr der Beschluss vom 4.8.2006, mit dem die U...

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