Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts ... zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, die es zur Bewährung ausgesetzt hat, verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, die er auf die Verfahrens- und die Sachrüge stützt. Das Rechtsmittel führt im Ergebnis zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch und Zurückverweisung der Sache insoweit.

Die zulässig ausgeführten Verfahrensrügen erweisen sich als unbegründet.

Der Angeklagte ist nicht in seiner Verteidigung unzulässig beschränkt worden. Zwar hatte er, da er des Deutschen nicht mächtig war, einen Anspruch darauf, dass die Anklageschrift unmittelbar und nicht erst nach Erlass des Eröffnungsbeschlusses übersetzt wurde. Doch beeinflusste dieser Mangel weder die Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses, noch verkürzte er den Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör im Verfahren. Denn in der Hauptverhandlung waren sowohl sein Verteidiger als die Dolmetscherin anwesend, sodass er auf diese Weise zuverlässig über den weder tatsächlich noch rechtlich schwierigen Anklagevorwurf informiert wurde und sich gegen ihn verteidigen konnte (vgl. OLG Hamburg, NStZ 1993, 53, OLG Düsseldorf, NJW 2003, 2766, 2767). Der Verteidiger hat auch die nicht rechtzeitige Übersetzung der Anklageschrift in der Verhandlung nicht gerügt (dazu BGH, NStZ 1982, 125).

Weiter ist die Identität hinsichtlich der angeklagten und der der Verurteilung zu Grunde liegenden Tat gewahrt. Wenn sich die Anklageschrift auf den Diebstahl einer Blutdruckuhr im Wert von 79,94 EUR bezog, der Angeklagte jedoch wegen Diebstahls von zwei Blutdruckuhren im Wert von je 39,97 EUR, damit im selben Gesamtwert von 79,94 EUR verurteilt worden ist, verändert die Abweichung nicht den einheitlichen Lebensvorgang als konkretisiertes historisches Geschehen. Da sich nur die Zahl der Diebstahlsobjekte geändert hat - so wie sich auch die Strafanzeige auf zwei Blutdruckuhren bezogen hat -, der wirtschaftliche Gesamtwert jedoch nicht, ist die Identität der den Verfahrensgegenstand bildenden Tat nicht berührt.

Zum Schuldspruch wegen Diebstahls verwirft der Senat die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet.

Dagegen erweist sich die Sachrüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs als begründet. Die Feststellungen tragen nicht die Verurteilung des Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Die gesetzlichen Anforderungen an die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten, besondere Umstände müssten sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (§ 47 Abs. 1 StGB), und die korrespondierende prozessuale Pflicht, diese Umstände in den Urteilsgründen darzulegen (§ 267 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 StPO), zeigen den hohen Stellenwert, den der Gesetzgeber dem grundsätzlichen Verbot kurzer Freiheitsstrafen beilegt.

Wenn es dabei nicht allein auf die Verwendung des Begriffs "unerlässlich" ankommt, so müssen doch die Urteilsgründe erkennen lassen, dass sich der Tatrichter der ausdrücklichen kriminalpolitischen Zielsetzung des Gesetzgebers bewusst gewesen ist und seine Überzeugung, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe sei unumgänglich, in den Gründen der Entscheidung darlegt (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl. 2004, § 47 Rz. 10).

Der bloße Verweis im angefochtenen Urteil auf einschlägige Vorverurteilungen des Angeklagten zu Geldstrafen, die ihn nicht beeindruckt hätten und jetzt zur "Verteidigung der Rechtsordnung" die Verurteilung zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe geboten erscheinen ließen, genügt nicht. Indem das Amtsgericht die Vorbelastungen für ausreichend hält, um eine aus Gründen der Generalprävention erforderliche kurze Freiheitsstrafe zu verhängen, verkennt es die gesetzlichen Anforderungen. Das angefochtene Urteil musste daher insoweit aufgehoben werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2570925

StraFo 2005, 30

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