Leitsatz (amtlich)

1. Der in § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff der Billigkeit eröffnet dem Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung einen Ermessensspielraum. Die Frage der Billigkeit ist grundsätzlich dem tatrichterlichen Beurteilungsermessen unterstellt.

2. Dieses ist im Falle einer - für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nunmehr zulässigen - isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung im Wege der Beschwerde einer Nachprüfung durch das Beschwerdegericht nur eingeschränkt zugänglich.

Die Ermessensentscheidung des erstinstanzlichen Gerichts ist durch das Beschwerdegericht lediglich dahingehend zu überprüfen, ob das Gesetz der Ermessensausübung überhaupt Raum gibt, ob das erstinstanzliche Gericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat, ob es sich mit den Denkgesetzen in Widerspruch gesetzt oder ob es sonst von seinem Ermessen einen dem Sinn und Zweck des Gesetzes widersprechenden Gebrauch gemacht hat.

 

Normenkette

FamFG § 81 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 19.05.2011; Aktenzeichen 621 F 3293/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kindeseltern vom 27.6.2011 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 19.5.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 5.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am ... 2003 geborenen Kindes V. T.. Dieses wurde am 29.6.2010 durch das Jugendamt der Landeshauptstadt Hannover wegen der Besorgnis einer Kindeswohlgefährdung in Obhut genommen. Auf einen diesbezüglichen Bericht des Jugendamts vom 2.7.2010 wurde daraufhin durch das AG - Familiengericht - Hannover das vorliegende Verfahren von Amts wegen eingeleitet.

Mit Schriftsatz ihres damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 14.7.2010 widersprachen die Kindeseltern nunmehr der Inobhutnahme und beantragten die Herausgabe des Kindes, hilfsweise eine Regelung des persönlichen Umgangs der Kindeseltern mit V..

Das AG bestellte dem Kind einen Verfahrensbeistand. Nach persönlicher Anhörung der Beteiligten beschloss es die Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zu der Frage, wie die Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen ausgeprägt sei und ob dieses bei einer Wiedereingliederung in die Wohnumgebung der Kindeseltern und der Einschulung besondere Hilfen benötige. Das schriftliche Sachverständigengutachten des Dipl.-Psych. O. W. vom 12.10.2010 (Bd. II Bl. 2 - 62 d.A.), auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, gelangte zu dem Ergebnis, dass bei V. eine behandlungsbedürftige Bindungsstörung vom reaktiven Typus vorliege. Zur Sicherstellung des Kindeswohls empfahl der Sachverständige u.a. eine kindertherapeutische Behandlung unter Einbeziehung beider Elternteile, welche zudem einen Elternkurs zur Erlangung von Kenntnissen über die Vor- und Nachteile bestimmter Erziehungsstile und die Bedeutung von Emotionalität und körperlichen Kontakten absolvieren sollten; ferner wurde die Einrichtung einer sozialpädagogischen Familienhilfe und deren engmaschige Kontrolle durch das Jugendamt vorgeschlagen.

Nachdem das für die Erbringung von Hilfen zur Erziehung inzwischen örtlich zuständige, vom Jugendamt der Landeshauptstadt Hannover um Amtshilfe ersuchte Jugendamt des Kreises Ostholstein sich für die aus seiner Sicht vorrangige therapeutische Arbeit mit V. ausgesprochen und darauf hingewiesen hatte, dass verschiedene Hilfsmaßnahmen nebeneinander die Kindeseltern überfordern und Ausweichtendenzen begünstigen könnten, forderte das AG die Kindeseltern auf, sich damit einverstanden zu erklären, für die Dauer eines Jahres die fachliche Beratung und Begleitung durch das Jugendamt des Kreises Ostholstein in Anspruch zu nehmen, um eine altersentsprechende soziale und geistige Entwicklung des Kindes sicherzustellen. Ferner sollten die Kindeseltern sich verpflichten, mit Hilfe des Jugendamtes eine kindertherapeutische Behandlung von V. aufzunehmen und daran mitzuwirken. Zu regelmäßigen Kontakten zum Jugendamt erklärten sich die Kindeseltern daraufhin bereit, zu weitergehenden Behandlungen des Kindes dagegen nicht.

Mit Beschluss vom 19.5.2011 schloss das AG das Verfahren sodann nach Einholung einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen ohne familiengerichtliche Auflagen ab und erlegte die Kosten des Verfahrens den Kindeseltern auf, weil das Verfahren durch das kindeswohlgefährdende Verhalten der Kindeseltern notwendig geworden sei.

Gegen die Kostenentscheidung wenden sich die Kindeseltern mit ihrer am 27.6.2011 beim AG eingegangenen Beschwerde, mit der sie rügen, das AG habe das ihm nach § 81 FamFG hinsichtlich der Frage der Kostenverteilung eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt. Allein die pauschale Begründung, das kindeswohlgefährdende Verhalten der Kindeseltern habe das Verfahren erforderlich gemacht, lasse nicht erkennen, dass das Gericht tatsächlich von seinem Ermessen Gebrauch gemacht habe; insbesondere habe sich das Gericht nicht zur Frage des groben Versc...

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