Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für das Bestehen und den Ausschluss bzw. die Minderung des Erstattungsanspruchs gegen den Zahlungsdienstleister bei nicht autorisierter Zahlung aufgrund eines gefälschten Überweisungsträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zwar ist der Anspruch aus § 675u Satz 2 BGB bei der Belastung eines Zahlungskontos grundsätzlich auf Wertstellung in Höhe der nicht autorisierten Zahlung gerichtet. Der Zahler hat aber nicht nur dann einen Anspruch auf Auszahlung des zu Unrecht belasteten Betrages, wenn die Kontobeziehung inzwischen unter Ausgleich des Saldos aufgelöst worden ist, sondern auch, wenn das Konto ohne die Rückbuchung einen Habensaldo aufweist bzw. eine nicht ausgeschöpfte Kreditlinie besteht.

2. Der Haftungsausschluss des § 676c Nr. 1 BGB greift nicht ein, wenn dadurch die gesetzliche Risikoverteilung beim Missbrauch von Zahlungsinstrumenten (§§ 675 u, v BGB) unterlaufen würde.

3. Ein dem Erstattungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB entgegenstehender Schadensersatzanspruch des Zahlungsdienstleisters aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB kommt bei anderen Zahlungsverfahren als der Nutzung eines Zahlungsinstrumentes zur Vermeidung von sonst auftretenden Wertungswidersprüchen allenfalls bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Zahlungsdienstnutzers in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, §§ 254, 280 Abs. 1, § 675e Abs. 4, § 675j Abs. 1, § 675u S. 2, § 675v Abs. 3 Nr. 2, § 676c Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 14.09.2020; Aktenzeichen 10 O 262/19)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 14. September 2020 verkündete Urteil (berichtigt durch Beschluss vom 15. Oktober 2020) der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Autorisierung eines Zahlungsvorgangs innerhalb eines zwischen ihnen bestehenden Zahlungsdiensterahmenvertrages.

Der Kläger ist Kunde der Beklagten und unterhält bei dieser unter anderem ein Girokonto, für das die "Sonderbedingungen für den Überweisungsverkehr" der Beklagten (Anlage B 4, Bl. 38 ff. d.A.) gelten. Zahlungen von diesem Konto mit einem vom Kläger in Papierform eingereichten Überweisungsträger sind üblich. Der Beklagten liegen entsprechende Unterschriftsproben mit einer Kontovollmacht als Unterschriftskarte vor (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl. 8 d.A.). Dabei haben die Parteien bezüglich der Vollmachtsart vereinbart, dass nur jeweils ein Bevollmächtigter gemeinsam mit einem anderen Bevollmächtigten im Geschäftsverkehr mit der Bank den Kläger vertreten kann. Zeichnungsbefugt sind danach der Verbandsgeschäftsführer S., der Zeuge M. sowie zwei weitere Mitarbeiter des Klägers.

Am 31. Januar 2019 ging bei einer Filiale der Beklagten in E. ein auf den 29. Januar 2019 datierter SEPA-Überweisungsbeleg ein, der die Anweisung einer Überweisung von dem Konto des Klägers auf ein Konto eines Herrn R. K. in Höhe von 19.831,76 EUR enthielt. Auf dem Überweisungsbeleg fanden sich rechts unten der Name "S." in Druckbuchstaben sowie links daneben eine Unterschrift, die bei näherem Hinsehen ebenfalls "S." bedeuten sollte und die - jedenfalls grob - mit der tatsächlichen Unterschrift des Verbandsgeschäftsführers S., wie sie sich aus der bei der Beklagten vorliegenden Unterschriftenkarte ergibt, übereinstimmte.

Tatsächlich war der Überweisungsbeleg jedoch gefälscht und weder von Herrn S. noch von einem anderen berechtigten Mitarbeiter des Klägers ausgefüllt und an die Bank übersandt worden.

Noch vor Ausführung der Überweisung meldete sich wegen dieses Überweisungsträgers am 31. Januar 2019 ein Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge H. aus der Geschäftsstelle Uelzen, telefonisch beim Kläger. Es kam zu einem Gespräch mit dem dort für solche Anfragen zuständigen Leiter der Verwaltung, dem Zeugen M., über dessen Inhalt die Parteien in erster Instanz gestritten haben. In der Folge des Gesprächs wurde die Überweisung getätigt.

Nachdem die Fälschung aufgefallen war, konnte die Buchung und Zahlung vom Konto des Klägers bei der Beklagten nicht mehr rückabgewickelt werden (vgl. Anlage B 2, Bl. 36 d.A.). Eine Aufforderung des Klägers zur Erstattung des abgebuchten Betrages mit Schreiben vom 13. Februar 2019 (Anlage 3 zur Klageschrift, Bl. 9 f. d.A.) wies die Beklagte ebenso zurück wie das erneute Erstattungsbegehren mit nunmehr anwaltlichem Schreiben vom 18. März 2019 (Anlage 4 zur Klageschrift, Bl. 11 f. d.A.).

Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung von 19.831,76 EUR nebst Verzugszinsen sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren, hilfsweise die "Stornierung" der Buchung mit dem o.g. Betrag begehrt.

Das Landgericht hat der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben. Zur Begründung hat die Einzelrichterin unter anderem ausgeführt, dem Kläger stehe der Erstattungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB zu. Es habe sich um einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang gehandelt, da der Überweisungsbeleg gefälscht gewesen und in dem Telefongespräch zwisc...

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