Leitsatz (amtlich)

I. Dem Anspruch des ausgleichsberechtigten Gesamtschuldners aus § 426 Abs. 1 BGB kann der Ausgleichspflichtige grundsätzlich nicht entgegenhalten, dass eine anderweitige Bestimmung darin bestehe, dass die zugrunde liegenden Darlehensraten bei der Berechnung des Anspruchs auf Unterhalt für die gemeinsamen Kinder einkommensmindernd in vollem Umfang berücksichtigt wurde (BGH FamRZ 2007, 1975).

II. Der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner kann sich jedoch durch die nachträgliche Inanspruchnahme treuwidrig verhalten (§ 242 BGB), wenn die berücksichtigungsfähigen Darlehensraten zu einer Reduzierung seines Einkommens mit der Folge geführt haben, dass ein Mangelfall beim Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zu einer Herabsetzung ihrer Ansprüche um etwa die Hälfte geführt hat, nachträglich höherer Kindesunterhalt nicht mehr gefordert werden kann und die Reduzierung Unterhalt in etwa dem Ausgleichsanspruch entspricht (im vorliegenden Einzelfall vom Senat verneint).

III. Soweit der die gemeinsamen Kinder betreuende, ausgleichspflichtige Gesamtschuldner den nicht gedeckten Kindesunterhalt aus eigenen Einkünften erbracht hat, steht ihm gegen den anderen, nicht leistungsfähigen Elternteil ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch nicht zu.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 426

 

Verfahrensgang

AG Zeven (Aktenzeichen 4 F 126/21)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 1. Dezember 2022 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Zeven teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an die Antragstellerin 7.061,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von 4.236,66 EUR seit dem 16. Dezember 2020 und auf einen weiteren Betrag von 2.824,44 EUR seit dem 3. Mai 2023 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens I. Instanz werden der Antragstellerin zu 70% und der Antragsgegnerin zu 30% auferlegt. Von den Kosten des Verfahrens II. Instanz trägt die Antragstellerin 60% und die Antragsgegnerin 40%.

III. Der Verfahrenswert I. Instanz wird auf 15.470,03 EUR und derjenige der II. Instanz wird auf 18.294,47 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin, ihre geschiedene Ehefrau, auf Ausgleich aus vier Darlehensverträgen und zwei Bausparverträgen in Anspruch.

Aus ihrer am 3. September 2010 geschlossenen Ehe sind die drei Kinder J., geboren am .... Februar 2012, F., geboren am ... März 2015 und L., geboren am ... April 2018, hervorgegangen. Seit dem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom .... Juli 2020 wird die Antragstellerin als dem weiblichen Geschlecht zugehörig angesehen und trägt den Vornamen Bettina (Az. ...). Auf den Antrag der (hiesigen) Antragsgegnerin vom 13. Mai 2020, der der Antragstellerin am 19. Juni 2020 zugestellt worden war, wurde die Ehe der Beteiligten durch den am 15. Januar 2021 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts Zeven - rechtskräftig seit dem 6. März 2021 - geschieden (...).

Die Beteiligten haben während ihrer Ehe gemeinsam das Eigentum an der Immobilie ... in ... erworben und zur Finanzierung im Jahr 2015 gemeinsam vier Darlehen bei der ...-Bank aufgenommen. Zum Ende 2019 belief sich das Saldo nach der Mitteilung der ...-Bank von Januar 2020 auf insgesamt rund 364.000 EUR. Während des ehelichen Zusammenlebens zahlte die Antragstellerin die Darlehensraten an die ...-Bank in Höhe von monatlich insgesamt 941,48 EUR, wobei eine Tilgung nur auf zwei Darlehen (...030 und ... 048) in geringem Umfang erfolgte. Zusätzlich hatte die Antragstellerin bei der ... zwei Bausparverträge abgeschlossen (Vertrags-Nr.: ... und ...), auf die sie monatliche Beiträge von 218,75 EUR sowie weiteren 185 EUR erbrachte. Diese Verträge waren zur Sicherung der Darlehen an das ... abgetreten. Der Gesamtbetrag der von der Antragstellerin getragenen Belastungen belief sich auf 1.345,23 EUR. Die Antragsgegnerin trug von ihrem Einkommen alle weiteren Kosten der Lebenshaltung der Familie. Hierzu hat sie erstinstanzlich Aufstellungen vorgelegt.

Im Februar 2019 zog die Antragstellerin aus der gemeinsamen Immobilie aus und mietete sich eine kleine Wohnung in ..., ohne ihre Möbel mitzunehmen. Sie betreute die gemeinsamen Kinder tageweise innerhalb der gemeinsamen Immobilie. An diesen Tagen schlief die Antragsgegnerin in der Kaserne. Ab März 2020 kam es zwischen den (damaligen) Eheleuten zum Streit über die Finanzen. Die Antragsgegnerin forderte von der Antragstellerin die Zahlung von Kindesunterhalt, während die Antragstellerin von ihr u.a. verlangte, dass diese sich an den Hausfinanzierungen beteiligt.

Das von der Antragsgegnerin zur Unterstützung eingeschaltete Jugendamt des Landkreises R. hat die Höhe des von der Antragstellerin geschuldeten Kindesunterhalts mit Schreiben vom 2. April 2020 mit rund 442 EUR berechnet. Dabei hat es die auf der Finanzierung der Immobilie beruhenden Belastungen der Antragstellerin in Höhe von ...

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