Leitsatz (amtlich)

Eintritt und Umfang des Auffangrechtserwerbs des Staates im Zuge der Vermögensabschöpfung bei Straftaten gemäß § 111i Abs. 5 StPO sind nicht davon abhängig, dass die in § 111i Abs. 4 StPO vorgeschriebene Mitteilung an die Verletzten erfolgt ist.

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Entscheidung vom 04.04.2011; Aktenzeichen 26 KLs 21 Js 5962/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I. Mit Urteil vom 29. Januar 2008, das seit diesem Tag auch rechtskräftig ist, hat das Landgericht Hildesheim gegen den Verurteilten u. a. wegen Betruges in 11 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Jahren verhängt. Zugleich hat das Landgericht in dem Urteil gemäß § 111i Abs. 2 StPO festgestellt, dass Ansprüche Verletzter der Anordnung des Verfalls - einschließlich Verfall von Wertersatz und erweitertem Verfall - entgegenstehen, dass der Wert des aus den Taten Erlangten 507.747,00 € entspricht und dass die im Verfahren beschlagnahmten und im Urteil näher bezeichneten Gegenstände (ein Grundschuldbrief und eine Armbanduhr) dem Verfall oder Verfall von Wertersatz unterliegen würden, wenn nicht Rückgewinnungshilfe in Betracht käme. Weiter hat das Landgericht durch Beschluss vom selben Tage gemäß § 111i Abs. 3 StPO die Beschlagnahme der vorgenannten Gegenstände sowie den dinglichen Arrest bis zur Höhe von 507.747,00 € für drei Jahre aufrechterhalten.

Zum Kreis der durch die abgeurteilten Taten Verletzten gehörte auch die "A. H. G.", D.str., L.. An diese und die anderen Verletzten wurde auf Anordnung des Gerichts am 12. Februar 2008 eine Abschrift des vorgenannten Beschlusses abgesandt verbunden mit einem ausführlichen Hinweis auf die Rechtskraft des Urteils, auf die in § 111i Abs. 5 StPO genannten Folgen und auf die Möglichkeit, Ansprüche im Wege der Zwangsvollstreckung oder Arrestvollziehung durchzusetzen.

Aufgrund der Verfügung des Gerichts vom 28. Februar 2011 wurde allen Verletzten mitgeteilt, dass die Dreijahresfrist des § 111i Abs. 3 StPO inzwischen abgelaufen und beabsichtigt sei, den Eintritt und den Umfang des staatlichen Rechtserwerbs nach § 111i Abs. 5 Satz 1 StPO durch Beschluss festzustellen. Es wurde ihnen Gelegenheit zum rechtlichen Gehör bis zum 21. März 2011 gegeben. Dieses Schreiben wurde noch am 1. März 2011 an sämtliche Verletzte und auch die "A. H. G." in L. abgesandt.

Nachdem keiner der Verletzten Stellung genommen hatte, stellte das Landgericht mit Beschluss vom 4. April 2011 fest, dass das Land Niedersachsen mit Ablauf des 29. Januar 2011 gegen den Verurteilten einen Zahlungsanspruch in Höhe von 507.747,00 € und die Rechte (Eigentum) an dem beschlagnahmten Grundschuldbrief und der Armbanduhr erworben hat. Dieser Beschluss wurde am 13. Mai 2011 auch Rechtsanwalt B. aus L. als Insolvenzverwalter der "H. A. D. G." zugestellt, nachdem dem Landgericht erst am 5. Mai 2011 bekannt geworden war, dass die "A. H. G." mittlerweile nicht mehr bestand, sondern zunächst mit anderen Gesellschaften zur "A. H. S. St. G." verschmolzen war, dass die Firmenbezeichnung dann in "H. A. D. G." geändert worden war und dass über deren Vermögen wiederum mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 29. April 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.

Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 20. Mai 2011, bei Gericht eingegangen am gleichen Tage, hat der Insolvenzverwalter gegen den Beschluss vom 4. April 2011 sofortige Beschwerde eingelegt, soweit der Eintritt des Rechtserwerbs des Landes Niedersachsen an dem beschlagnahmten Grundschuldbrief und der Armbanduhr festgestellt worden sei. Er behauptet, dass die nach § 111i Abs. 4 StPO erforderliche Mitteilung an die Verletzten nicht erfolgt sei und dass er von den gerichtlichen Maßnahmen zur Rückgewinnungshilfe erst mit Eingang des angefochtenen Beschlusses Kenntnis erlangt habe. Dadurch sei ihm die Möglichkeit genommen worden, rechtzeitig die Möglichkeiten zur Vollstreckung in die beschlagnahmten Gegenstände zu nutzen. Er habe bereits am 17. August 2010 ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Landgerichts Göttingen gegen den Verurteilten über die aus den abgeurteilten Straftaten resultierenden Forderungen der Insolvenzschuldnerin erwirkt und mit Schreiben vom 25. November 2010 dem Amtsgericht Göttingen den Auftrag zur Zwangsvollstreckung gegen den Verurteilten erteilt, allerdings bislang erfolglos. Da auch das Anhörungsschreiben vom 28. Februar 2011 nicht an ihn gesandt worden sei, sondern an eine frühere Niederlassung der Verletzten, unter der mittlerweile ein anderes Autohaus ansässig sei, beantragt er Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung vom Landgericht gesetzten Frist zur Stellungnahme bis zum 21. März 2011.

Den gleichzeitig gestellten Antrag des Insolvenzverwalters auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Dreijahresfrist des § 111i Abs. 3 StPO hat das Landgericht Hildesheim durch Beschluss vom 15. Juni 2011 abgelehnt.

II. Die gemäß § 111i Abs. 6 Satz 2 StPO statthafte und auch sons...

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