Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Reiseveranstalter im Katalog die Buchung von Familienzimmern mit zwei separaten Schlafräumen anbietet, diese aber den Reisenden mangels Bezugsfertigkeit vor Ort nicht zur Verfügung stellen kann, rechtfertigt dies ein erhebliche Minderung des Reisepreises, auch wenn ein Ehepaar mit zwei Kindern als Ausweichlösung zwei nebeneinanderliegenden Doppelzimmer erhält.

2. Der vorbeschriebene Mangel kann, wenn noch Baulärm und Wartezeiten bei den Mahlzeiten wegen eines – ggü. der Katalogankündigung – noch nicht zur Verfügung stehenden neuen Restaurants hinzukommen, neben einer Minderung von 55 % des Reisepreises die Gewährung einer Entschädigung für vertane Urlaubszeit rechtfertigen.

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 11 O 150/02)

 

Tenor

Es wird erwogen, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Berufungsklägerin wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einer weitere Kosten teilweise vermeidenden Berufungsrücknahme bis zum 11.8.2003 gegeben.

 

Gründe

Die Rechtssache dürfte keine grundsätzliche Bedeutung haben und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rspr. nicht erforderlich sein. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen auch keine Aussicht auf Erfolg:

1. Nachdem die Beklagte in der Berufungsbegründung die Aktivlegitimation/Prozessstandschaft der Klägerin für die vom LG zuerkannte Entschädigung wegen vertaner Urlaubszeit zugunsten des mitreisenden Ehemannes nicht mehr in Abrede nimmt, hat der Senat keinen Anlass und keine Möglichkeit, über diese Frage, die für eine Vielzahl von Fällen von Interesse sein könnte, die der Senat aber i.E. nicht anders als das LG gesehen haben würde, zu entscheiden.

2. Soweit die Beklagte geltend macht, die Minderungsquote wegen Mängeln habe das LG nicht differenziert (dazu a) und sie betrage i.E. auch nicht 55 %, sondern allenfalls 20 % (dazu b), vermag sie auch damit nicht durchzudringen.

a) Eine Differenzierung im Sinne der Bildung von Einzelquoten, die addiert werden können, musste das LG nicht vornehmen. Die Bewertung von Mängeln erfolgt zwar vielfach anhand von tabellarischen Zusammenstellungen von in Einzelfällen zuerkannten Quoten. Die in dem jeweiligen Streitfall zuzuerkennenden Minderungsquoten stellen jedoch keine schematische Handhabung von addierten Tabellenwerten dar. Vielmehr ist die im Einzelfall festzulegende Minderungsquote auch das Ergebnis einer ergänzend vorzunehmenden Gesamtschau und Gewichtung der festgestellten Mängel.

b) Die der Klägerin zuzuerkennende Minderung hat das LG i.E. zutreffend ermittelt; der Senat schließt sich der Würdigung an, wonach die Mängel insgesamt mit 55 % zutreffend gewichtet sind. Der Senat gewichtet insb. die Nichtgestellung des vertraglich geschuldeten Familienzimmers mit einem Vielfachen der von der Beklagten dafür zugestandenen 5 % des Reisepreises. Das Katalogangebot eines Familienzimmers mit zwei Schlafräumen ist gerade für Familien mit kleinen Kindern sehr attraktiv. Es bietet die Möglichkeit für die Erwachsenen, sich von den Kleinen zu trennen, sie aber dennoch unter Kontrolle zu haben. Wenn die Beklagte derartiges anbietet, dann aber nicht zu stellen vermag, stellt dies einen gewichtigen Mangel dar, der gerade einen Umstand betrifft, der für Familien mit kleinen Kindern einen zentralen Komfort ausmacht.

Dem vermag die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegen zu halten, die nebeneinanderliegenden Doppelzimmer, in denen die Familie dann 20 der 21 Urlaubstage untergebracht waren, seien gleichwertig, insb. weil sie bei Buchung höherpreisig gewesen wären. Die Unterbringung der ein und vier Jahre alten Kinder in einem anderen benachbarten Doppelzimmer bedeutete stets, dass entweder ein Elternteil bei den Kindern schlafen oder für einen Blick ins Kinderzimmer zu jeder Tages- und Nachtzeit zumindest bereit sein musste, den Flur durchschreiten und deswegen sich überlegen musste, ob er/sie angemessen gekleidet für einen solchen Gang war, bei dem andere Gäste oder Personal getroffen werden konnten.

Mangels Möglichkeit, sich von den Kindern zu trennen, stellte auch das für eine Nacht überlassene Studio ohne getrennten Schlafbereich keinesfalls einen adäquaten oder annehmbaren Ersatz für die geschuldete Unterkunft dar.

c) Diese objektiven Nachteile wiegen, wie das LG zutreffend betont hat, noch dadurch schwerer, dass die Beklagte vor dem Reiseantritt der Klägerin wusste, dass sie ihr das Geschuldete nicht würde leisten können, sie aber dennoch nicht informiert und Alternativen mit ihr erörtert hat.

d) Hinzukommt für das Gewicht der Mängel, dass die Reise in nahezu jeder Hinsicht mit Mängeln behaftet war, d.h. wegen des fehlenden Familienzimmers insb. abends und nachts (und tagsüber sogar auch teilweise), sowie wegen des von der Beklagten eingeräumten Baulärms am Tag und wegen des ggü. der Katalogankündigung fehlenden neuen Restaurants auch während der Mahlzeiten. Angesichts dieser die gesamte Aufenth...

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