Leitsatz (amtlich)

1. Mit dem Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16.4.2013 (BGBl. I, 795) hat der Gesetzgeber dem gesetzlichen Leitbild der gemeinsamen elterliche Sorge Geltung verschafft. Danach erfordert eine Beibehaltung der Alleinsorge der mit dem Kindesvater nicht verheirateten Kindesmutter über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinaus die Feststellung, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterliche Sorge gemeinsam zu tragen. Insofern reichen weder die bloße Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Kindesmutter noch selbst manifest gewordene Kommunikationsschwierigkeiten der Kindeseltern als solche aus.

2. Diese Kriterien gelten auch im Rahmen der Prüfung, ob die elterliche Sorge oder Teile hiervon nach § 1671 Abs. 2 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB n.F. auf den Kindesvater allein zu übertragen ist.

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 06.03.2013)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 6.3.2013 in Ziff. 1 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Gesundheitssorge für E., geb. am ... 1996, wird auf den Kindesvater allein übertragen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die nicht miteinander verheirateten Eltern der am ... 1996 geborenen Tochter E. und des am ... geborenen Sohnes R. Sie führten von 1996 bis 2001 eine nichteheliche Partnerschaft, die elterliche Sorge für die gemeinsamen Kinder hat bislang die Kindesmutter allein inne. Beide Elternteile bewohnen aneinander angrenzende Doppelhaushälften in H.

Mit dem vorliegenden, im April 2012 eingeleiteten Verfahren begehrte der Kindesvater die Miteinräumung der elterlichen Sorge für beide Kinder sowie die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder auf sich allein. Das AG hat den Kindern einen Verfahrensbeistand bestellt, das Jugendamt beteiligt und sämtliche Beteiligten einschließlich der Kinder persönlich angehört. Im Rahmen der mündlichen Erörterung vom 26.2.2013 vereinbarten die Kindeseltern eine sechsmonatige Erprobung eines Wechselmodells mit nunmehr wöchentlich wechselndem Aufenthalt der Kinder, nachdem zuvor ein halbwöchentlicher Wechsel aufgrund einer Vereinbarung in einem vorangegangenen Umgangsverfahren (...) gehandhabt wurde. Darüber hinaus einigten sich die Kindeseltern auf eine Vollmachtserteilung zugunsten des Kindesvaters für den Bereich der schulischen Angelegenheiten beider Kinder sowie auf verschiedene begleitende Regelungen betreffend den Kindesunterhalt. Keine Einigung konnten die Kindeseltern hinsichtlich der Wahrnehmung der Gesundheitssorge für die Tochter E., die an dem sog. Nephrotischen Syndrom leidet, erzielen.

Mit Beschluss vom 6.3.2013, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, traf das AG daraufhin eine Teilentscheidung betreffend die Gesundheitssorge für E., in der es den Antrag des Kindesvaters, diese auf beide Elternteile gemeinsam, hilfsweise auf ihn allein zu übertragen, zurückwies. Zur Begründung führte es aus, die nach der Entscheidung des BVerfG (BVerfG) vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09) erforderliche Voraussetzung, dass zu erwarten sei, dass eine Übertragung der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam dem Kindeswohl entspreche, liege hier nicht vor. Nach dem Ergebnis der Anhörung stehe fest, dass beide Elternteile nicht in der Lage seien, sich über die medizinische Behandlung ihrer Tochter abzustimmen und zu gemeinsamen Entscheidungen zu gelangen. Während die Kindesmutter im Wesentlichen eine Behandlung nach den Vorgaben der Schulmedizin, insbesondere den Behandlungsschemata zur Cortisonbehandlung, befürworte, halte der Kindesvater eine geringere Dosierung der Cortisonpräparate in Verbindung mit homöopathischen Mitteln zur Stärkung des Immunsystems für ausreichend. Da es den Kindeseltern jedoch bislang nicht gelungen sei, zu einer gemeinsamen Sichtweise zu gelangen, sei nicht erkennbar, wie die elterliche Sorge in diesem Bereich künftig gemeinsam ausgeübt werden könne. Eine Übertragung gar auf den Kindesvater allein gem. § 1680 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 1666 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht, denn eine hierfür erforderliche konkrete Kindeswohlgefährdung bei Wahrnehmung der Gesundheitssorge weiterhin durch die Kindesmutter sei nicht erkennbar. Auch der Umstand, dass E. selbst sich eine Wahrnehmung der Gesundheitssorge durch ihren Vater wünsche, führe nicht zur Annahme einer Kindeswohlgefährdung durch die Mutter.

Gegen diese ihm am 12.3.2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 4.4.2013 beim AG eingegangene Beschwerde des Kindesvaters, mit der dieser sein erstinstanzliches Rechtsschutzbegehren weiterverfolgt. Er rügt, dass E.'s Wille, der eindeutig geäußert wo...

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