Normenkette

BGB § 2073; FGG § 27

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 3 T 36/02)

 

Tenor

Die Beschlüsse des LG Lüneburg vom 28.10.2002 und des AG Celle vom 19.9.2002 werden aufgehoben.

Das AG Celle wird angewiesen, den dem Beteiligten zu 1) am 11.11.2002 erteilten Erbschein einzuziehen.

Beschwerdewert: 28.300 Euro.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG, § 546 ZPO).

1. Zwar kann die weitere Beschwerde nicht mehr mit dem Ziel der Aufhebung des Beschlusses des LG Lüneburg vom 28.10.2002 weiterverfolgt werden. Mit diesem Beschluss wurde die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Vorbescheid des AG Celle vom 19.9.2002 zurückgewiesen, mit dem das AG angekündigt hatte, dem Beteiligten zu 1) antragsgemäß einen Erbschein als Miterben zu 1/3 zu erteilen. Nach Erlass der Beschwerdeentscheidung des LG hat das AG am 11.11.2002 einen gemeinschaftlichen Erbschein erteilt, der dem Beteiligten zu 1) übersandt wurde und ihn als Erben zu 1/3 nach der Erblasserin ausweist. Mit der Erteilung dieses angekündigten Erbscheins ist das auf Aufhebung des Vorbescheids gerichtete Verfahren gegenstandslos geworden und damit die weitere Beschwerde unzulässig (BayObLG v. 11.12.1990 – BReg. 1a Z 5/89, FamRZ 1991, 618 [619]; OLG Karlsruhe FamRZ 1970, 255 [256]; Keidel/Kuntze, 14. Aufl., § 19 FGG Rz. 15, § 84 Rz. 2; Palandt, 62. Aufl., § 2353 BGB Rz. 26).

Allerdings ist es in derartigen Fällen zulässig und aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung eines weiteren Verfahrens auch sachgerecht, den im Verfahren der weiteren Beschwerde gestellten Antrag auf Aufhebung des Vorbescheids in einen Antrag auf Einziehung des erteilten Erbscheins umzudeuten (BayObLG v. 11.12.1990 – BReg. 1a Z 5/89, FamRZ 1991, 618 [619]; OLG Karlsruhe FamRZ 1970, 255 [256]; Keidel/Kuntze, 14. Aufl., § 84 FGG Rz. 2). Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind Anträge der Beteiligten grundsätzlich so auszulegen, dass sie dem verfolgten Rechtsschutzziel entsprechen. Ging das Begehren des Beteiligten zu 2) bereits auf Beseitigung des für ihn nachteiligen Vorbescheides, so hat er erst recht ein Interesse daran, dass ein entsprechend dem Vorbescheid erteilter Erbschein wieder eingezogen wird.

2. Der Erbschein vom 11.11.2002 ist unrichtig und deshalb gem. § 2361 Abs. 1 S. 1 BGB einzuziehen.

Die Auslegung eines Testaments ist in erster Linie Sache des Tatsachengerichts. Die Überprüfung im Verfahren der weiteren Beschwerde ist auf Rechtsfehler beschränkt. Maßgebend ist hierbei, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Betracht gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand übersehen oder dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann (BGH v. 24.2.1993 – IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357 [363] = MDR 1993, 878; OLG Celle v. 19.7.2002 – 6 W 82/02, OLGReport Celle 2002, 260, und Beschl. v. 31.7.2002 – 6 W 96/02, OLGReport Celle 2002, 246; ferner BayObLG v. 12.3.2002 – 1Z BR 14/01, BayObLGReport 2002, 359 = NJW-RR 2002, 873 f.).

Gegen diese Auslegungsgrundsätze hat das LG verstoßen. Es hat – ebenso wie bereits das AG – dem Wortlaut des Testaments eine diesem nicht zukommende Bedeutung beigemessen sowie auf Umstände abgestellt, bei denen nicht ersichtlich ist, dass sie für die Willensbildung der Erblasserin relevant waren. Ferner hat es die Auslegungsregel des § 2073 BGB nicht beachtet.

a) In dem Testament vom 23.11.1998 hat die Erblasserin lediglich bestimmt, dass 1/3 des Nachlasses „der Tierschutzverein in C.” erhalten soll (Bl. 8 R d.A. 10 IV 861, 874, 875/02). Aus dem allgemeinen Sprachgebrauch lässt sich nicht entnehmen, dass die Erblasserin hiermit nur den Beteiligten zu 1) meinte. Keiner der beiden Beteiligten heißt „Tierschutzverein” oder „Tierschutzverein in C.”. Der Beteiligte zu 1) ist als „Tierschutz C. Stadt und Land e.V.”, der Beteiligte zu 2) als „Verein aktiver Tierfreunde – Tierschutz C. e.V.” im Vereinsregister eingetragen. Die von der Erblasserin verwendete Bezeichnung „Tierschutz” taucht mithin in beiden Vereinsnamen auf. Auch der Ortszusatz „C.” findet sich in den Namen beider Vereine. Alleine aus dem Wortlaut der Regelung im Testament lässt sich mithin weder für den Beteiligten zu 1) noch für den Beteiligten zu 2) etwas für oder gegen eine Erbeinsetzung ableiten.

b) Nicht berücksichtigt werden konnte auch der vom LG herangezogene Umstand, dass gerade das nur vom Beteiligten zu 1) betriebene Tierheim, welches nicht unerhebliche Kosten verursache, üblicherweise als Hauptaufgabe eines örtlichen Tierschutzvereins angesehen werde. Hieraus hat das LG geschlossen, dass auch dies die Erblasserin zu der Erbeinsetzung des „…” bewogen haben wird.

Abgesehen d...

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