Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung ohne allgemeines Verwaltungs- und Verfügungsverbot gegen den Schuldner unterbricht einen Rechtsstreit nicht nach § 240 S. 2 ZPO. Eine bloße Verfügungsbeschränkung liegt auch dann vor, wenn das Insolvenzgericht die Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters näher beschreibt.

 

Normenkette

ZPO § 240; InsO §§ 21-22

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Aktenzeichen 11 O 71/00)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Vorsitzenden der 11. Zivilkammer – 2. Kammer für Handelssachen – des LG Hildesheim vom 13.3.2002 aufgehoben.

 

Gründe

Die Klägerin macht gegen die Beklagte eine Werklohnforderung geltend.

Das AG – Insolvenzgericht – Hildesheim hat mit Beschluss vom 21.2.2002 – 51 IN 102/02 – gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 1 Insolvenzordnung (InsO) die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Beklagten angeordnet. Darüber hinaus hat es gem. § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO angeordnet, dass Verfügungen der Beklagten nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist ermächtigt worden, Forderungen der Beklagten auf ein Treuhandkonto einzuziehen. Darüber hinaus soll der Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 2 InsO das Vermögen der Beklagten sichern und erhalten sowie ein Unternehmen, das die Beklagte betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Beklagten fortführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stilllegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden. Die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegen weiterhin der Beklagten; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen jedoch der Zustimmung des vorläufigen Verwalters.

Mit Beschluss vom 13.3.2002 stellte das LG Hildesheim daraufhin die Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 S. 2 ZPO fest. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, mit der sie geltend macht, dass die Unterbrechungswirkung nur dann eintrete, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (sog. starker Insolvenzverwalter).

Das LG hat mit Beschluss vom 3.4.2002, auf den zur Vermeidung von Wiederholungen inhaltlich Bezug genommen wird, der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die gem. § 252 ZPO statthafte und auch i.Ü. zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist begründet.

Nach § 240 S. 1 ZPO wird im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei das Verfahren unterbrochen, wenn es die Insolvenzmasse betrifft. Dies gilt nach S. 2 dieser Vorschrift auch, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.

Die Voraussetzungen für eine Unterbrechung sind vorliegend indessen nicht gegeben. Das Verfahren ist nicht gem. § 240 S. 2 ZPO n.F. dadurch unterbrochen worden, dass das Insolvenzgericht über das Vermögen der Beklagten einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat. Denn das Insolvenzgericht hat der Beklagten kein allgemeines Verfügungsverbot (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, 22 Abs. 1 S. 1 InsO), sondern nur einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) auferlegt, weshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Beklagten nicht, wie für eine Unterbrechung gem. § 240 S. 2 ZPO vorausgesetzt, gem. § 22 Abs. 1 S. 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist (vgl. BGH v. 21.6.1999 – II ZR 70/98, MDR 1999, 1205 = NJW 1999, 2822 m.w.N.; OLG Celle OLGReport Celle 2000, 107). Die vom Insolvenzgericht gewählte weniger einschneidende Maßnahme der Verfügungsbeschränkung führt damit nicht zum Verlust des Prozessführungsrechts der Beklagten zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters. Eine Unterbrechung des anhängigen Rechtsstreits findet bei der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt für die Verfügungen des Schuldners deshalb nicht statt (vgl. OLG Celle OLGReport Celle 2000, 107; KG v. 9.10.2000 – 26 W 7002/00, KGReport Berlin 2001, 38 f.).

Die Unterscheidung zwischen einem Verfügungsverbot und einer Verfügungsbeschränkung mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten innerhalb der vorläufigen Insolvenzverwaltung entspricht der eindeutigen Regelung des § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Die strikte Unterscheidung zwischen Verfügungsverbot und Verfügungsbeschränkung durch Anordnung des Zustimmungserfordernisses dient der Rechtssicherheit und ist auch für den Prozessgegner des Schuldners klar erkennbar.

Zwar enthält der Beschluss des AG Hildesheim über die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts hinaus weitere Sicherungsmaßnahmen nach §§ 21 Abs. 2, 22 Abs. 2 InsO, die z.B. die Einziehung von Forderungen betreffen und der notwendigen Konkretisierung der Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters dienen. Darin liegt aber nicht mehr als die Ausgestaltung der einzelnen Rechte und Pflichten des vorläufigen Insol...

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