Leitsatz (amtlich)

Eine mündliche Anhörung durch das Beschwerdegericht nach § 5 FreihEntzG ist jedenfalls dann nicht entbehrlich, wenn der Betroffene sich vor dem AG nicht geäußert hatte und eine Begründung der sofortigen Beschwerde nicht vorliegt.

Im Verfahren über die Anordnung von Abschiebungshaft ist das Beiziehen der Ausländerakte auch durch das Beschwerdegericht zum Zwecke hinreichender Sachverhaltsaufklärung jedenfalls dann geboten, wenn nach dem Inhalt der Akten oder nach dem Beschwerdevorbringen hierzu Anlass besteht.

Die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde beurteilt sich gem. § 100 Abs. 1 Nds. SOG danach, in wessen Bezirk die schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden.

Das Gericht der weiteren sofortigen Beschwerde ist an die Nichtzulassung des Rechtsmittels durch das Beschwerdegericht grundsätzlich gebunden.

 

Normenkette

FreihEntzG § 5; GG Art. 104 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG H. (Beschluss vom 12.03.2008; Aktenzeichen 28 T 12/08)

 

Tenor

1. Der Betroffenen wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt F. aus H. für ihre weitere sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Anordnung der Abschiebungshaft bewilligt.

Im Übrigen wird Prozesskostenhilfe abgelehnt.

2. Die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Ingewahrsamnahme wird als unzulässig verworfen.

3. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, soweit er die Anordnung der Abschiebungshaft betrifft.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Betroffenen sowie über die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde an das LG H. zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Betroffene wendet sich mit ihrer weiteren sofortigen Beschwerde gegen einen Beschluss des LG, mit welchem die gegen einen Beschluss des AG H. vom 5.3.2008 gerichtete sofortige Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen worden war. Das AG hatte auf Antrag der Beteiligten gegen die am 23.2.2008 in H. festgenommene Betroffene am 24.2.2008 die Abschiebungshaft für längstens drei Monate angeordnet und zugleich festgestellt, dass die vorläufige Ingewahrsamnahme der Betroffenen rechtmäßig war. Die Abschiebungshaft dauert noch an. Das LG hat entschieden, dass die vorläufige Ingewahrsamnahme der Betroffenen aufgrund von § 18 Nds. SOG erfolgt sei, und gem. § 19 Abs. 2 Satz 4 Nds. SOG die weitere sofortige Beschwerde nicht zugelassen.

II.1. Die weitere sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Ingewahrsamnahme ist unzulässig.

Das LG hat seine Entscheidung auf die Annahme einer Maßnahme nach § 18 Nds. SOG gestützt und hiernach die weitere sofortige Beschwerde nicht zugelassen. An diese Entscheidung, die weitere sofortige Beschwerde nicht zuzulassen, ist das weitere Beschwerdegericht ebenso gebunden wie an die vom LG hierzu getroffenen Feststellungen (vgl. Senat vom 19.7.2007, 22 W 33/07; ebenso OLG München vom 19.6.2006, 34 Wx 75/06; Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 42). Die Entscheidung über die Zulassung der weiteren sofortigen Beschwerde ist nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich dem LG übertragen und nach ständiger Rechtsprechung sowohl der Anfechtung durch die Beteiligten als auch der Nachprüfung und Abänderung durch das Rechtsbeschwerdegericht entzogen (BGH FamRZ 1990, 1228; 1992, 1063; BayObLGZ 1980, 286). Hat das LG die weitere Beschwerde nicht zugelassen, ist jegliche Nachprüfung der Vorentscheidung unzulässig, weil dem Beschwerdegericht hierzu die Eigenschaft als gesetzlicher Richter fehlt (vgl. Senat a.a.O.).

Das Rechtsmittel führt auch als außerordentliche Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn Zulässigkeitsvoraussetzung einer außerordentlichen Beschwerde ist das Vorliegen einer greifbaren Gesetzwidrigkeit (vgl. Senat a.a.O.; hierzu näher Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 39 m.w.N.). Eine solche ist vorliegend aber weder dargetan, noch ersichtlich. Nach den Feststellungen des LG erfolgte die Festnahme der Betroffenen im Rahmen einer polizeilichen Milieukontrolle in dem Bordell "B.P." in H., bei der sich die Betroffene mit einem auf ihre Aliaspersonalien ausgestellten Pass auswies. Es ist angesichts dessen nicht fernliegend - jedenfalls keineswegs willkürlich - anzunehmen, dass die Festnahme gem. § 18 Nds. SOG zur Identitätsfeststellung und zur Verhinderung der Fortsetzung einer Straftat erfolgte. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die weitere Ingewahrsamnahme jedenfalls mit dem Stellen des Antrags auf Erlass eines Abschiebungshaftbefehls eine solche nach dem Aufenthaltsgesetz war. Allein diese Möglichkeit einer materiellrechtlich unzutreffenden Entscheidung begründet indessen noch nicht die Annahme einer willkürlichen, bar jeder gesetzlichen Grundlage erlassenen oder schlichtweg nicht hinnehmbaren und somit greifbar gesetzwidrigen Entscheidung. Für eine außerordentliche Beschwerde war hiernach kein Rau...

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