Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Rechtsschutzversicherungsvertrages wegen Nichtangabe einer Vorversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsschutzversicherungsvertrag kann nicht wegen arglistiger Täuschung seitens des Versicherungsnehmers angefochten werden, wenn im Antragsformular nach "Vorversicherung" und nicht nach Vorversicherungen gefragt ist, der Antragsteller die vor Antragstellung gekündigte Vorversicherung bei einem anderen Versicherer angibt, nicht dagegen einen von ihm selbst gekündigten zeitlich davor liegenden weiteren Vertrag bei dem Rechtsschutzversicherer, bei dem er nunmehr den Antrag stellt.

2. Gegen Arglist des Versicherungsnehmers spricht es, wenn dieser einen Vorvertrag bei demselben Versicherer nicht angibt, der erst 15 Monate vor Antragstellung beendet wurde, und von dem er annehmen darf, dass er sich in den Datenbeständen des Versicherers befindet, auf die dieser ohnehin Zugriff nehmen kann.

 

Normenkette

VVG §§ 16, 22; BGB § 123

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 11.01.2006; Aktenzeichen 6 O 74/05)

 

Tenor

Das Verfahren wird unter Aufhebung des Beschlusses des LG Hannover vom 11.1.2006, soweit mit diesem der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers zurückgewiesen wurde, sowie des Nichtabhilfebeschlusses vom 3.2.2006 an das LG zurückverwiesen, welches über den Prozesskostenhilfeantrag erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden hat.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) und begründet. Das LG hat i.E. zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 ZPO) mit der Begründung verneint, die Antragsgegnerin habe den zwischen den Parteien geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten.

1. Der Antragsteller hatte in seinem Antrag vom 27.2.2001 in dem mit "Vorversicherung" bezeichneten Abschnitt die ... unter der Rubrik "Gesellschaft" angegeben. Ferner hatte er mitgeteilt, die Kündigung der Vorversicherung sei durch ihn erfolgt. Auf die Frage "Sind/Waren Sie bzw. Ihr Ehegatte/Lebenspartner bereits rechtsschutzversichert?" kreuzte der Antragsteller das Kästchen ja an und gab die Versicherungsnummer sowie die Versicherungsart an.

Tatsächlich war der Antragsteller bis zum 28.2.2001 bei der ... ... versichert. Diesen Vertrag hatte er mit Wirkung zum 28.2.2001 gekündigt. Vor Abschluss des Vertrages bei der ... war der Antragsteller bereits einmal im Zeitraum vom 1.2.1998 bis 2.12.1999 bei der Antragsgegnerin rechtsschutzversichert. Diese Versicherung war ebenfalls durch den Antragsteller gekündigt worden. Sie hatte er im Antrag vom 27.2.2001 nicht gesondert angegeben. Die Antragsgegnerin focht den Vertrag mit Schreiben vom 23.1.2004 wegen arglistiger Täuschung an.

2.a) Eine wirksame Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gem. § 22 VVG i.V.m. § 123 Abs. 1 BGB über die bei der Antragsgegnerin bestehende Vorversicherung kommt hier indessen nicht an Betracht, da es bereits an einer objektiv falschen Angabe im Antrag vom 27.2.2001 fehlt. Die gesamte Gestaltung und Formulierung des betreffenden Abschnittes enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass hier nach sämtlichen bestehenden Vorversicherungen und nicht nur nach der letzten Vorversicherung im Zeitpunkt der Antragstellung gefragt wurde. Maßgebend für die Auslegung der von der Antragsgegnerin aufgestellten Fragen ist, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Hierbei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an (BGHZ 122, 83 [85]; Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., vor § 1 Rz. 16).

Vorliegend gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin nach sämtlichen Vorversicherungen gefragt hat. Bereits die Überschrift des Abschnittes "Vorversicherung" belegt, dass hier lediglich nach der letzten noch bestehenden oder bereits gekündigten Versicherung vor Abschluss der jetzt beantragten Rechtsschutzversicherung gefragt wird. Die Formulierung ist eindeutig im Singular abgefasst. Hätte die Antragsgegnerin nach sämtlichen Vorversicherungen fragen wollen, hätte sie dies durch eine entsprechende Formulierung im Plural ausdrücken müssen.

Auch aus den weiteren vorgedruckten Fragen ergibt sich kein Hinweis dafür, dass hier nach sämtlichen Vorversicherungen gefragt wurde. So ist direkt unter dem Abschnittsüberschrift "Vorversicherung" die "Gesellschaft" anzugeben. Auch dies belegt, dass hier nur nach einer, nämlich der zeitlich letzten, Vorversicherung gefragt wurde. Auch das rechts daneben befindliche Feld "Versicherungs-Nr." gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass hier sämtliche Versicherungsnummern aller Vorversicherer anzugeben sind. Ferner ist die Versicherungs-Art sowie die Beendigung des...

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