Leitsatz (amtlich)

Während für die Bewertung eines Anrechts aus einem Beamtenverhältnis oder aus einem anderen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis in der Anwartschaftsphase nach § 40 VersAusglG die Bemessungsgrundlagen zum Ende der Ehezeit maßgeblich sind und daher dessen fiktive Höhe bestimmt wird, sind nach § 41 Abs. 2 VersAusglG der Bewertung in der Leistungsphase die tatsächlichen Werte zugrunde zu legen.

Die nachehezeitliche Entscheidung eines (geschiedenen) Ehegatten, unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags vorzeitig in den Ruhestand zu treten, weist keinen Bezug zur Ehezeit auf und wirkt nicht i.S.v. § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG auf den Ehezeitanteil zurück.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (FamRZ 2012, 769 ff.) gilt auch bei der Bewertung einer laufenden Versorgung nach § 41 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG fort. Hierfür spricht maßgeblich die Gesetzesbegründung, in der auf den fehlenden Bezug zur Ehezeit abgestellt wird, sowie der Umstand, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte an der vorzeitigen Inanspruchnahme der Ruhegehaltszahlungen i.d.R. nicht partizipieren wird und von einer anderweitigen Kompensation nicht auszugehen ist. Ebenso wenig führt dies durch die längere Bezugsdauer zu einem Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Durchführung des Versorgungsausgleichs im Fall der verlängerten Dienstzeit (FamRZ 2018, 1500 ff.; 2019, 1604 ff.) steht dem nicht entgegen.

 

Verfahrensgang

AG Stade (Aktenzeichen 42 F 765/19)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers vom 30. Oktober 2020 sowie die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin vom 5. und 29. November 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stade vom 29. September 2020 werden zurückgewiesen.

II. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte.

Die den Verfahrensbeteiligten im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.

III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.000 EUR festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin hatten am 22. März 1971 die Ehe geschlossen, aus der zwei im August 1978 sowie im April 1984 geborene Töchter hervorgegangen sind. Nach der Trennung schlossen die Eheleute am 26. Mai 2006 eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, die nicht zu den Akten gereicht wurde. Der Scheidungsantrag des Antragstellers wurde der Antragsgegnerin am 8. März 2005 zugestellt.

Das Amtsgericht hatte für die von den Eheleuten in der Ehezeit vom 1. März 1971 bis zum 28. Februar 2005 erworbenen Anrechte von den Versorgungsträgern Auskünfte eingeholt. Danach hatte der Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover nach deren Auskunft vom 7. Juli 2005 eine Anwartschaft von 3,75 EUR sowie aufgrund seiner Tätigkeit als Richter im Land Niedersachsen nach der Auskunft des Landesamtes für Bezüge und Versorgung vom 13. Mai 2005 eine Anwartschaft von 2.627,11 EUR, mithin in der Ehezeit Anrechte von insgesamt 2.630,86 EUR erworben.

Die Antragsgegnerin, die als angestellte Lehrerin tätig war, hatte nach der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 24. Mai 2005 ehezeitliche Anrechte von 489,30 EUR sowie bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder nach deren Auskunft vom 30. August 2005 Anrechte von 166,08 EUR erworben, die das Amtsgericht nach der Barwert-Verordnung in eine dynamisierte Anwartschaft von 84,94 EUR umgerechnet hat. Damit verfügte die Antragsgegnerin über Anrechte von insgesamt 574,24 EUR, sodass sich aus der Differenz der beiderseitigen Anrechte von 2.056,62 EUR ein hälftiger Betrag von 1.028,31 EUR ergab.

Anrechte in dieser Höhe begründete das Amtsgericht mit Urteil vom 8. September 2005 (42 F 94/05), in dem auch die Scheidung ausgesprochen wurde, im Wege des Quasisplittings zugunsten der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit Schriftsatz vom 19. November 2019, der am Folgetag beim Amtsgericht eingegangen war, hat der Antragsteller, der zwei Jahre vor Erreichen der regulären Regelaltersgrenze zum 30. Juni 2013 in den Ruhestand getreten ist, die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich beantragt, da beide (geschiedenen) Eheleute seit April 2011 bzw. seit Februar 2016 Rentenleistungen erhielten. Seinen Abänderungsantrag hat der Antragsteller darauf gestützt, dass die Anrechte durch die bisher nicht berücksichtigten Kindererziehungszeiten sowie die geänderte Bewertung der Zusatzversorgung auf Seiten der Antragsgegnerin eine wesentliche Änderung erfahren hätten. Die Antragsgegnerin ist in ihrer Erwiderung vom 28. Dezember 2019 dem Begehren unter Hinweis darauf entgegen getreten, dass der Antragsteller bereits mit dem 63. Lebensjahr vorzeitig in Ruhestand getreten sei und darüber hinaus über weiteres Vermögen verfüge.

Das Amtsgericht hat aktualisierte Einkünfte von den Versorgungsträgern eingeholt, aus denen sic...

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