Leitsatz (amtlich)

In einem Abstammungsverfahren kann das Gericht die Vorführung einer Untersuchungsperson gemäß §§ 178 Abs. 2, 96a FamFG anordnen, wenn diese wiederholt unberechtigt die Untersuchung bzw. Entnahme einer genetischen Probe verweigert hat.

Die Anordnung unmittelbaren Zwangs nach § 96a FamFG setzt voraus, dass die Ladung der Untersuchungsperson förmlich - unter Angabe eines konkreten Termins und genauen Ortes sowie unter Hinweis auf die Folgen das Ausbleibens - durch das Gericht erfolgt ist.

Wird in einem Unterhaltsverfahrens des nichtehelichen Kindes dessen Anspruch auf der Grundlage einer nach §§ 1708, 1717 Abs. 1 BGB a.F. fingierte Vaterschaft verneint, so erwächst diese Feststellung als Begründungselement der Entscheidung nicht in materielle Rechtskraft und steht einem späteren Verfahren auf Vaterschaftsfeststellung nicht entgegen, zumal das Bestehen oder Nichtbestehens eines Eltern-Kind-Verhältnisses bereits nach früherem Recht in einem besonderen Verfahren nach § 640 ZPO a.F. mit Wirkung für und gegen alle (§ 643 ZPO a.F.) festgestellt werden konnte.

Der Vorrang des Abstammungsverfahrens findet nach geltendem Recht in den besonderen verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 169 ff. FamFG sowie in der materiell-rechtlichen Rechtsausübungssperre der §§ 1599 Abs. 1, 1600d Abs. 4 BGB seine Grundlage, sodass über die Abstammung grundsätzlich nur in diesem Verfahren mit Rechtskraftwirkung (§ 184 Abs. 2 FamFG) entschieden werden kann.

 

Verfahrensgang

AG Osterholz-Scharmbeck (Aktenzeichen 16 F 497/20)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Osterholz-Scharmbeck vom 30. Juli 2021 wird zurückgewiesen.

II. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

Gründe

I. Die am ...1959 geborene Antragstellerin, die die niederländische Staatsangehörigkeit hat, begehrt mit ihrem Antrag vom 10. Juli 2020 die Feststellung, dass der Beteiligte zu 2 ihr Vater ist.

Die Mutter der Antragstellerin war bei ihrer Geburt nicht verheiratet. Vor der Heirat am ...1960 erkannte ihr (späterer) Ehemann F. W. mit Urkunde vom 1. September 1960 die Vaterschaft zu der Antragstellerin an. Mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom ...1961 - 16 VIIA 2589 - wurde festgestellt, dass die Antragstellerin durch die Heirat den ehelichen Status erlangt hatte. Die Ehe der Kindesmutter wurde im Jahr 1978 geschieden.

Die Antragstellerin, vertreten durch den Amtsvormund, hatte den Beteiligten zu 2 auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch genommen, der mit Urteil des Amtsgerichts B. vom ...1959 antragsgemäß zur Zahlung von Unterhalt verurteilt wurde (9 C 4134/59). Auf die Berufung des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht B. (4 S 497/59) mit Urteil vom ...1963 nach Vernehmung von Zeugen sowie Einholung eines anthropologisch-erbbiologischen Gutachtens, in dem die Abstammung der Antragstellerin als "sehr unwahrscheinlich" bewertet worden war, das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Dabei gelangte das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit auch mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt hatte.

In einem vorangegangenen Verfahren hatte die Antragstellerin beim Amtsgericht O.-S. (16 F 467/14) bereits beantragt, die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 festzustellen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom ...2015 abgewiesen und die hiergegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom ...2015 - 15 UF 143/15 - mit der Begründung zurückgewiesen, dass die rechtliche Vaterschaft des früheren Ehemannes ihrer Mutter nach § 1719 BGB a.F. wirksam sei und daher die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 erst nach vorheriger Anfechtung der bestehenden rechtlichen Vaterschaft festgestellt werden könne.

Mit Beschluss der Rechtsbank Den Haag vom ...2016 (C/09/509756) wurde auf Antrag der Antragstellerin die Vaterschaftsanerkennung vom ...1960 aufgehoben. Daraufhin beantragte die Antragstellerin die Berichtigung ihrer Geburtsurkunde. Auf Zweifelsvorlage des Standesamts B. M. hat das Amtsgericht B. mit Beschluss vom ...2017 den Antrag auf Berichtigung des Geburtseintrags abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin wurde mit Beschluss vom ...2017 mit der Begründung zurückgewiesen, dass hinsichtlich der Entscheidung der Rechtsbank Den Haag ein Anerkennungshindernis im Sinne von § 109 Abs. 1 Nr. 3 FamFG bestehe. Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht S. festzustellen, dass der frühere Ehemann ihrer Mutter, F. W., nicht ihr leiblicher Vater sei. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom ...2020 (22 F 7/19) wurde festgestellt, dass die Antragstellerin nicht die Tochter des dortigen Beteiligten W. ist.

Im vorliegenden Verfahren ist der Beteiligte zu 2 dem Feststellungsbegehren der Antragstellerin mit der Begründung entgegengetreten, dass in der Entscheidung des Landgerichts B. vom ...1963 wirksam inzident seine Vaterschaft verneint worden sei.

In der Anhörung der Beteil...

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