Leitsatz (amtlich)

Zur Zulässigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens im Rahmen der privaten Unfallversicherung.

 

Normenkette

ZPO § 485; AUB

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 20.04.2011; Aktenzeichen 2 OH 3/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 20.4.2011 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des LG Hannover vom 1.4.2011, mit dem das LG den Antrag des Antragstellers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Wege des selbständigen Beweisverfahrens als unzulässig verworfen hat, aufgehoben.

Das LG hat nach Maßgabe der Antragsschrift unter Beachtung des ergänzenden Schriftsatzes vom 26.1.2011, soweit das Verfahren auf der Grundlage des Beschlusses des LG Mannheim vom 9.3.2011 - 9 OH 2/11 - beim LG Hannover anhängig geworden ist, Beweis zu erheben und hat dazu die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Beschwerdewert: bis 40.000 EUR.

 

Gründe

I. Zwischen dem 1957 geborenen Antragsteller und der Antragsgegnerin bestehen zwei Unfallversicherungsverträge zu den Nrn. ... bzw ..., denen die AUB 88 bzw. die AUB 2004 zugrunde liegen. Die Invaliditätssummen betragen 25.565 EUR bzw. 50.000 EUR.

Der Antragsteller hat wegen eines behaupteten Unfallereignisses vom 9.5.2008, als er beim Treppensteigen umgeknickt sei, Ansprüche gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht und auch (Teil-)Leistungen von dieser erhalten. Später hat er außerdem Ansprüche aufgrund einer Borrelioseerkrankung geltend gemacht.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2010 hat der Antragsteller einen Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens beim LG Mannheim gestellt. Dieses hat gemäß Beschl. v. 28.2.2011 - 9 OH 8/10 - das Verfahren getrennt. Wegen des Unfallereignisses "Zeckenbiss" bestehe eine Zuständigkeit des LG Mannheim, im Übrigen eine solche des LG Hannover, so dass im entsprechenden Umfang mit Beschl. v. 9.3.2001 - 9 OH 2/11 - eine Verweisung an das LG Hannover erfolgt ist.

Die Antragsgegnerin hat den Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens für unzulässig gehalten. Die Bedingungen, wonach es Aufgabe des Versicherers sei, auf seine Kosten Ärzte zu beauftragen, würden durch die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens unzulässigerweise umgangen. Mit dem vom Antragsteller vorgeschlagenen Sachverständigen sei die Antragsgegnerin nicht einverstanden. Eine abschließende Klärung sei durch das selbständige Beweisverfahren auch nicht zu erwarten, etwa hinsichtlich Vorinvalidität und Kausalität.

Das LG hat mit Beschluss vom 1.4.2011 den Antrag als unzulässig verworfen. Eine Zustimmung des Gegners zum Verfahren sei nicht gegeben; dass ein Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwert werde, sei nicht vorgetragen. Angesichts der Vielzahl der bestehenden Streitpunkte könne nicht angenommen werden, dass die Feststellungen eines Sachverständigen der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könnten.

Gegen diesen ihm am 11.4.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 20.4.2011, mit dem er Aufhebung des Beschlusses vom 1.4.2011 und weiter beantragt hat, seinem Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens im Umfang des abgetrennten Verfahrens stattzugeben. Das rechtliche Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens sei gegeben. Ob das Verfahren konkret der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen könne, sei unerheblich. Materielle Rechtsfragen seien bei Prüfung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zu klären.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, § 569 Abs. 1 ZPO.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet; zu Unrecht hat das LG - mit ungenügender bzw. unzutreffender Begründung - den Antrag zurückgewiesen.

1. Das LG hat möglicherweise bereits verkannt, dass es um einen Fall des § 485 Abs. 1 ZPO, nämlich ein "einvernehmliches Beweisverfahren" (Alt. 1) bzw. ein Beweissicherungsverfahren (Alt. 2), nicht geht. Der Antragsteller stützt seinen Antrag vielmehr auf § 485 Abs. 2 ZPO, der im Jahr 1990 in das Gesetz eingefügt wurde. Ein besonderes Sicherungsinteresse ist nicht Voraussetzung des § 485 Abs. 2 ZPO. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein rechtliches Interesse an einer Feststellung in einer der dort genannten drei Alternativen. Ankerkanntermaßen ist der Begriff des rechtlichen Interesses weit zu fassen. Dem Gericht ist es grundsätzlich verwehrt, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Ein rechtliches Interesse kann insbesondere dann verneint werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich sind. Dabei kann es sich aber nur um eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann (vgl. BGH, NJW 2004, 3488).

Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Der Bestand der Versicherungsvert...

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