Leitsatz (amtlich)

Zur Anwendbarkeit der §§ 198 ff. GVG auf vor Inkrafttreten abgeschlossene Verfahren.

 

Normenkette

GVG §§ 198-199; EMRK Art. 35, 41; BGB § 839

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Aktenzeichen 20 O 322/11)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.06.2012; Aktenzeichen III ZB 45/12)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin vom 14. November 2011 in der Form des Antrags vom 12. März 2012 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von ihr beabsichtigte Klage gegen das Land Niedersachsen wegen überlanger Dauer eines gegen sie gerichteten Strafverfahrens.

Gegen die Antragstellerin wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft Hannover seit Mai 1999 strafrechtlich ermittelt. Von diesem Verfahren hatte die Antragstellerin seit dem 5. Juli 1999 Kenntnis. Mit Anklage vom 18. Dezember 2001 warf die Staatsanwaltschaft Hannover der Antragstellerin Geldwäsche und Begünstigung vor. Das Verfahren wurde vom Landgericht Hannover am 2. Dezember 2002 eröffnet. Nach mehrfach erfolgter Teilabtrennung und Hinzuverbindung weiterer Verfahren sowie einem durchgeführten eintägigem Hauptverhandlungstermin am 17. Dezember 2007 versetzte die Strafkammer das Verfahren auf Antrag der Antragstellerin gemäß § 33 a StPO am 12. Dezember 2008 in den Zeitpunkt vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zurück und lehnte am 9. Januar 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Antragstellerin ab. Auf Antrag der Antragstellerin stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 3. März 2011 eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK wegen der überlangen Verfahrensdauer fest. Eine Entschädigung wurde der Antragstellerin nicht gewährt, da diese keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Unter dem 24. September 2009 hat die Antragstellerin gegenüber dem Landgericht Hannover Entschädigung wegen überlanger Dauer des gegen sie gerichteten Strafverfahrens geltend gemacht. Diesen Anspruch hat der Präsident des Landgerichts Hannover mit Bescheid vom 29. November 2011 zurückgewiesen.

Unter dem 14. November 2011 hat die Antragstellerin Prozesskostenhilfe für eine von ihr beabsichtigte Klage gegen das Land Niedersachsen in Höhe von 11.500 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 28. April 2011 sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 846,33 € beantragt. Der ursprünglich an das Landgericht Hannover gerichtete Antrag ist am 9. März 2012 auf Antrag der Antragstellerin an das Oberlandesgericht Celle analog § 281 ZPO verwiesen worden. Unter dem 14. März 2012 hat die Antragstellerin ihr Prozesskostenhilfegesuch um 97,25 € für erforderliche Kosten zur Austragung einer im Ermittlungsverfahren mittels dinglichen Arrestes eingetragenen Sicherungshypothek in das Grundbuch ihrer Eigentumswohnung sowie Freistellung für die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entstandenen Verfahrenskosten in Höhe von 5.111,05 € erweitert.

II.

Das Prozesskostenhilfegesuch war zurückzuweisen.

1. Ob die Antragstellerin bedürftig i. S. des § 114 ZPO ist, konnte dabei dahingestellt bleiben. XXXXXXXXXXXX

2. Jedenfalls bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung, hier die Erhebung einer Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung infolge unangemessener Verfahrensdauer sowie Freistellung von den genannten Kosten und Schadensersatz für die durch die Austragung der Sicherungshypothek angefallenen Kosten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb der Antragstellerin Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen ist, §§ 201 Abs. 2 Satz 1 GVG, 114 Satz 1 ZPO.

a) Der Antragstellerin steht ein Anspruch aus § 199 i. V. m. § 198 GVG wegen unangemessener Dauer eines Strafverfahrens nicht zu. Diese Anspruchsgrundlage kommt gemäß Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zwar auch bei ab Inkrafttreten des Gesetzes am 3. Dezember 2011 abgeschlossenen Verfahren in Betracht. Voraussetzung ist jedoch, dass die Dauer des Verfahrens beim Inkrafttreten des Gesetzes Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Das von der Antragstellerin angestrengte Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist mit dessen Entscheidung vom 3. März 2011 abgeschlossen und kann nach Art. 35 Abs. 2 EMRK auch nicht mehr anhängig gemacht werden. Zwar hat die Antragstellerin in dem genannten Verfahren keine Entschädigung geltend gemacht, weshalb auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte keine Veranlassung gesehen hat, der Antragstellerin diesbezüglich einen Geldbetrag zuzusprechen (vgl. Ziffer 41 des Urteils des EGMR vom 3. März 2011). Eine solche Entschädigung hätte die Antragstellerin gemäß Art. 60 Abs. 1 VerfO inn...

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