Entscheidungsstichwort (Thema)

Ehegattenunterhalt

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung eines vom eheangemessenen Bedarf des unterhaltsberechtigten und von der Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Ehegatten unabhängigen Mindestunterhalts in einer Trennungs und Scheidungsfolgenvereinbarung kann sittenwidrig und deshalb unwirksam sein.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 313, 1408, 242

 

Verfahrensgang

AG Hildesheim (Beschluss vom 11.08.2004; Aktenzeichen 37 F. 37303/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B. in A. zu den Bedingungen eines am AG Hildesheim zugelassenen Rechtsanwalts (§§ 121 Abs. 3 ZPO, 46 Abs. 1 RVG) Prozesskostenhilfe bewilligt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Der Kläger bezieht seit dem 1.9.2002 Altersrente, die am 11.6.1941 geborene Beklagte ist nicht erwerbstätig. Der Kläger hat seine mit monatlichen Einkünften von rund 307 Euro verbundene Aushilfstätigkeit zum 31.12.2002 verloren. Er begehrt die Herabsetzung des in der Trennungs und Scheidungsfolgenvereinbarung vom 7.3.2002 (UR. Nr. 146/2002 des Notars O.H. in H.) vereinbarten Ehegattenunterhalts von monatlich 766,94 Euro auf monatlich 500 Euro. Das AG hat dem Kläger die für seine Abänderungsklage nachgesuchte Prozesskostenhilfe versagt.

II. Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2 u. 3, 569 Abs. 1 S. 1 u. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Die Rechtsverfolgung bietet i.S.d. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es kommt auf die Beurteilung einer schwierigen Rechtsfrage an, die zudem eine umfassende tatrichterliche Würdigung erfordert. Beides kann im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren nach dessen Zweck nicht vorweggenommen werden, sondern ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten (BVerfG v. 4.2.2004 - 1 BvR 596/03, NJW 2004, 1789, unter III.2a der Gründe; BGH v. 21.11.2002 - V ZB 40/02, MDR 2003, 477 = BGHReport 2003, 407 = FamRZ 2003, 671 [672], unter II.1.).

Das AG hat zutreffend erkannt, dass sich aus den in § 3 der Trennungs und Scheidungsfolgenvereinbarung der Parteien unter Nrn. 1. bis 3. getroffenen Regelungen die Vereinbarung eines vom Kläger geschuldeten Mindestunterhalts ergibt, der weder von der tatsächlichen Höhe seiner dort mit rund 1.280 Euro monatlich - statt derzeit lediglich bezogener monatlich 1.159,13 Euro - angenommenen Rente (und somit von dem durch die ehelichen Lebensverhältnisse geprägten Bedarf der Beklagten) noch von der Einhaltung des dem Kläger zu belassenden Selbstbehalts abhängig ist. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Kläger mit seinem im Wege der Abänderungsklage (auch) erhobenen Einwand der Unwirksamkeit dieser Vereinbarung ausgeschlossen ist, wovon das AG jedoch ersichtlich ausgeht.

Zwar wird Hauptanwendungsfall der Grundsätze, die das BVerfG im Urteil vom 6.2.2001 (BVerfG, Urt. v. 6.2.2001 - 1 BvR 12/92, MDR 2001, 392 = NJW 2001, 957) zu dem aus Art. 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG folgenden Schutz vor einseitiger Lastenverteilung zwischen Ehegatten und der BGH im Urteil vom 11.2.2004 (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 = NJW 2004, 930) zur Beurteilung der Wirksamkeit von Eheverträgen (§§ 1408, 1410 BGB) aufgestellt haben, eine mögliche Benachteiligung der infolge Schwangerschaft bzw. Kinderbetreuung über keine oder unzureichende Erwerbseinkünfte verfügenden und deshalb im Verhältnis zum erwerbstätigen Ehemann sozial schwächeren Ehefrau, d.h. des unterhaltsberechtigten Ehegatten sein. Aber der verfassungsrechtliche Schutz vor einer mit dem Gedanken der ehelichen Solidarität nicht in Einklang zu bringenden und von wesentlichen Elementen der gesetzlichen Unterhaltsnormen abweichenden vertraglichen Regelung kommt ebenso dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten zu. Auch für ihn kann es durch einen Ehevertrag zu einer offenkundig einseitigen und durch individuelle Besonderheiten nicht gerechtfertigten Lastenverteilung kommen, die bei verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint und wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

Ob dies im Hinblick auf die hier zu beurteilende Trennungs und Scheidungsfolgenvereinbarung, für deren Inhaltskontrolle die vorgenannten Kriterien gleichermaßen gelten (OLG Celle v. 25.2.2004 - 15 UF 178/03, OLGReport Celle 2004, 242 = NJW 2004, 1961; Johannsen/Henrich/SedemundTreiber, Eherecht, 4. Aufl., § 630 ZPO Rz. 10 m.w.N.), der Fall ist, wird das AG im Hauptsacheverfahren zu prüfen haben, und zwar nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien zu ihrer der Vereinbarung im Einzelnen zugrunde liegenden und die jeweilige Verhandlungsposition bestimmenden Lebenssituation sowie nach einer eventuell zum Zustandekommen der Vereinbarung durchzuführenden Beweisaufnahme. Diese Prüfung ist nicht dadurch entbehrlich, dass der Kläger, wie hier zu unterstellen, durch den beurkundenden Notar hinreichend über Inhalt und Konsequenzen der Regelungen belehrt wurde (BGH v. 11.2....

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge