Verfahrensgang

LG Hannover (Entscheidung vom 11.02.2009; Aktenzeichen 6 O 134/06)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Februar 2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die Berufung ist aus den im Beschluss des Senats vom 22. Mai 2009 genannten Gründen, worauf gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, unbegründet. Die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten vom 2. Juli 2009 rechtfertigen keine andere Beurteilung.

1.

Dass der Senat die Entscheidung auf einen vom Landgericht nicht angesprochenen Gesichtspunkt (fehlender Kündigungsgrund) stützt, steht der Zurückweisung der Berufung der Beklagten durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen. Denn das erforderliche rechtliche Gehör ist der Beklagten durch den Senatsbeschluss vom 22. Mai 2009 gewährt worden. Die Beklagte hat dadurch die Möglichkeit erhalten, zu den im bisherigen Verlauf des Rechtsstreits nicht näher problematisierten Gesichtspunkten weiter vorzutragen. Ihr insoweit ergänzter (und gemäß § 530, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO vom Senat im Berufungsverfahren auch zu berücksichtigender) Vortrag rechtfertigt jedoch weiterhin im Ergebnis keine Abänderung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils. Deshalb kann die Entscheidung über die - unbegründete - Berufung der Beklagten im Beschlusswege ergehen, denn dabei darf auch die Begründung des Ersturteils ausgewechselt werden (vgl. Zöller-Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 522 Rdnr. 36 m.w.N.).

2.

Die Beklagte macht geltend, es habe wegen Verzuges mit der Einhaltung einer vertraglich vereinbarten Einzelfrist (Fertigstellung verschiedener Gewerke - insbesondere der Maurer- und Betonarbeiten - bis 30. April 2004) ein Kündigungsgrund nach § 5 Nr. 4 Fall 2 und 3 VOB/B vorgelegen. Diese Auffassung teilt der Senat auch nach neuerlicher Prüfung nicht.

a)

Zum einen erscheint bereits fraglich, ob eine wirksam vereinbarte vertragliche Einzelfrist im Sinne des § 5 Nr. 1 VOB/B hier überhaupt vorliegt, weil die Beklagte lediglich ein von der Klägerin noch nicht unterschriebenes Vertragsexemplar vorgelegt und die Klägerin ihrerseits mit der Klagschrift eine ihre Unterschrift tragende Kopie desselben Vertragstextes zur Akte gereicht hat (vgl. Anlage K 1, Bl. 14 f. d.A.), in der die Einzelfristen "30.04.2004" und "28.02.2005" handschriftlich durchgestrichen sind. Ferner erscheint die Fristenregelung unklar, denn die Beklagte hatte in ihrem Schreiben vom 11. Mai 2004 (Anlage B 1, Bl. 208 f. d.A.) im vorletzten Absatz auf eine Gesamtfertigstellungsfrist vom 29. Oktober 2004 Bezug genommen, welche im Vertragstext indessen der "Fertigstellung der öffentlichen Ausschreibung" zugeordnet war und zeitlich noch vor der Einzelfrist für "Titel 1.6 bis 1.10 des LV" am 28. Februar 2005 ablief. Außerdem liegen die in der Fristenregelung in Bezug genommenen EVM (B) BVB Nr. 1.4 nicht vor, sodass der konkrete Charakter der Fristen bisher nicht feststellbar ist.

Einer weiteren Aufklärung dieser Punkte bedarf es indessen nicht, weil die Kündigung der Beklagten vom 26. Juli 2004 auch dann nicht gerechtfertigt ist, wenn man die wirksame Vereinbarung einer vertraglichen Einzelfrist für die Fertigstellung der Maurer- und Betonarbeiten bis 30. April 2004 unterstellt.

b)

Einen Kündigungsgrund nach § 5 Nr. 4 Fall 2 VOB/B stellt der Verzug mit der Einhaltung einer vertraglichen Einzelfrist nach Ansicht des Senats nicht dar. Denn unter "Vollendung" ist dort wegen des systematischen Zusammenhangs und der Abgrenzung zur Einzelfrist nach § 5 Nr. 1 Satz 2 VOB/B nach zutreffender Auffassung nur die Ausführung des Gesamtwerks zu verstehen (vgl. Motzke in Beck'scher VOB- und Vergaberechtskommentar, VOB Teil B, 2. Aufl., § 5 Nr. 4 Rdnr. 49). Die Nichteinhaltung einer Einzelfrist für sich genommen ist in § 5 Nr. 4 Halbsatz 1 VOB/B nicht sanktioniert. Eine Kündigung kann sich deshalb nur in Verbindung mit den weiteren Voraussetzungen des § 5 Nr. 3 VOB/B rechtfertigen (vgl. Motzke, a.a.O.).

Selbst wenn man dies anders sehen wollte (so etwa - allerdings ohne jede inhaltliche Begründung - Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., B § 5 Rdnr. 17 i.V.m. Rdnr. 7 und Nicklisch/Weick, VOB, Teil B, Kommentar, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 24), fehlt es im Hinblick auf die Nichteinhaltung einer vertraglich vereinbarten Einzelfrist hier jedoch an einer ausreichenden Kündigungsandrohung. Denn darin muss die Vertragswidrigkeit möglichst genau aufgeführt werden; der Auftragnehmer muss aus ihr zweifelsfrei ersehen können, was im Einzelnen beanstandet und was von ihm verlangt wird (Heiermann/Riedl/Rusam, a.a.O., Rdnr. 24; Nicklisch/Weick, a.a.O., § 5 Rdnr. 39). Da § 5 Nr. 4 VOB/B eine Aufforderung zur "Vertragserfüllung" verlangt, muss also die Fristsetzung mit der Aufforderung zur Erbringung der geschuldeten Leistung verbunden sein; eine Frist zur Aufnahme der Arbeiten reicht hingegen grundsätzlich nicht (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des...

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