Leitsatz (amtlich)

1. Ein Verweisungsbeschluss in dem ein Insolvenzgericht seine örtliche Zuständigkeit verneint, ist objektiv willkürlich und damit nicht bindend, wenn der Beschluss erst nach Rechtskraft der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergeht.

2. Nach rechtskräftiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht aufgrund der Heilung aller verfahrensrechtlichen Mängel, die nicht derart schwerwiegend sind, dass sie zur Nichtigkeit des Beschlusses über die Verfahrenseröffnung führen, seine Zuständigkeit für das Verfahren nicht mehr zu prüfen, eine Verweisung an ein anderes Gericht kommt ohnehin nicht mehr in Betracht.

 

Normenkette

InsO §§ 3-4; ZPO § 281

 

Verfahrensgang

AG Celle (Aktenzeichen 34 IN 6/07)

AG Walsrode (Aktenzeichen 11 IN 37/07)

 

Tenor

Das AG Celle - Insolvenzgericht - ist zuständig.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 16.1.2007 hat der vormals selbständige Schuldner, der einen Briefzustelldienst betrieben hat, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verbunden mit einem Antrag auf Stundung der Verfahrenskosten und Erteilung der Restschuldbefreiung bei dem AG Celle - Insolvenzgericht - gestellt. Aufgrund dieses Antrags hat das AG Celle dem Schuldner am 19.1.2007 die Stundung der Verfahrenskosten bewilligt und mit Beschluss vom 22.1.2007 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Im Eröffnungsbeschluss hat es den Beteiligten zum Insolvenzverwalter bestellt und weitere Anordnungen hinsichtlich der Anmeldung der Forderungen usw. erlassen sowie Termin zur ersten Gläubigerversammlung auf den 24.4.2007 anberaumt.

Erst nach Veröffentlichung der Anordnungen im Eröffnungsbeschluss im Bundesanzeiger am 2.2.2007 hat das AG mit Verfügung vom 9.2.2007 bei der Gemeinde Wietzendorf angefragt, ob der Gewerbehof Langmannshof Haus 4, im Gebiet der Gemeinde Wietzendorf und damit im Bezirk des AG Soltau, für den das AG Celle als Insolvenzgericht zuständig ist, oder im gemeindefreien Bezirk Osterheide liegt, der in den Zuständigkeitsbereich des AG Walsrode, das über ein eigenes Insolvenzgericht verfügt, fällt. Nach Mitteilung der Gemeinde Wietzendorf, der Gewerbehof Langemannshof Haus 4 gehöre zum gemeindefreien Bezirk Osterheide, hat das AG Celle beim Schuldner angeregt, einen Antrag auf Verweisung des Insolvenzverfahrens an das AG Walsrode zu stellen. Nachdem der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners daraufhin mit Schriftsatz vom 2.3.2007 einen entsprechenden Antrag gestellt hat, hat das AG Celle sich mit Beschluss vom 7.3.2007 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das seiner Auffassung nach örtlich zuständige AG Walsrode abgegeben.

Auf diesen Beschluss hat das AG Walsrode seinerseits nach Übersendung der Akten mit Beschluss vom 29.3.2007 die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Verweisungsbeschluss des AG Celle sei nicht bindend, weil es nicht zulässig sei, ein Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung an ein anderes - örtlich zuständiges - Insolvenzgericht zu verweisen. Dies sei bei Erlass des Verweisungsbeschlusses offensichtlich übersehen worden. Hierauf hat das AG Celle - Insolvenzgericht - das Verfahren mit Verfügung vom 4.4.2007 zur Zuständigkeitsbestimmung dem Senat vorgelegt, wobei es zur Begründung der Vorlage ausgeführt hat, der Verweisungsbeschluss vom 7.3.2007 sei seiner Auffassung nach bindend, weil er nicht auf Willkür beruhe. Dem Gericht sei erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt geworden, dass der Schuldner seinen Wohnsitz im Bezirk des AG Walsrode habe und eine vom AG Walsrode herangezogene Kommentarstelle (Schmerbach, in: Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, § 3 Rz. 26), sei dem Insolvenzgericht zum Zeitpunkt des Erlasses des Verweisungsbeschlusses nicht bekannt gewesen.

II. Das OLG Celle ist zur Entscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem zunächst befassten AG - Insolvenzgericht - Celle und dem AG - Insolvenzgericht - Walsrode gem. § 4 InsO i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO, § 9 EGZPO berufen.

Die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das AG Celle als auch das AG Walsrode haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das AG Celle hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gem. § 37 Abs. 1 dem Senat vorgelegt.

Zuständig für die Durchführung des Insolvenzverfahrens ist das AG - Insolvenzgericht - Celle. Das Insolvenzgericht hätte das Insolvenzverfahren nach seiner rechtskräftigen Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ungeachtet der Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht mehr an ein anderes Insolvenzgericht verweisen dürfen. Es hat mit seiner Entscheidung, trotz der bereits rechtskräftigen Verfahrenseröffnung aufgrund fehlender örtlicher Zuständigkeit das Verfahren an ein anderes Insolvenzgericht zu verweisen, gegen den elementaren Grundsatz des Insolvenzrechts verstoßen, dass der Eröffnungsbeschluss mit Eintritt der...

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