Entscheidungsstichwort (Thema)

"Kleine Benzinklausel" in der Privathaftpflichtversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Der in der sog. "Kleinen Benzinklausel" in der Privathaftpflichtversicherung enthaltende Risikoausschluss für Schäden durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges greift nicht ein, wenn ein auf dem Beifahrersitz eines abgestellten Pkw sitzendes 14-jähriges Mädchen den im Zündschloss steckenden Schlüssel umdreht, um über die zu aktivierende Batterie das Autoradio zu betreiben, aber versehentlich den Schlüssel so weit umdreht, dass der Motor des Pkw gestartet wird, dieser sich von selbst in Bewegung setzt und ein anderes geparktes Fahrzeug beschädigt. Die bloße Nutzung der Batterie als Energiequelle für einen Zweck, der mit dem Betrieb des Kfz in keinem inneren Zusammenhang steht, stellte keinen Gebrauch des Fahrzeugs durch den Führer eines Pkw im Sinne der Ausschlussklausel dar.

 

Normenkette

VVG §§ 1, 149; AHB § 1

 

Verfahrensgang

LG Bückeburg (Beschluss vom 26.01.2005; Aktenzeichen 5 O 49/04)

 

Tenor

Unter Aufhebung des Beschlusses v. 26.1.2005 sowie des Nichtabhilfebeschlusses v. 18.2.2005 wird das Verfahren an das LG Bückeburg zurückverwiesen, welches angewiesen wird, den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zurückzuweisen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 2 S. 2 und 3, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) und begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand steht der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Gewährung von Deckungsschutz aus der mit dieser geschlossenen Privathaftpflichtversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 1, § 149 VVG i.V.m. § 1 Ziff. 1 AHB und II Ziff. 1b) der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung zu.

1. Nach dem Vortrag der Antragstellerin saß ihre mitversicherte Tochter J. am 21.6.2003 auf dem Beifahrersitz eines von ihres Cousine gehaltenen Pkw's, als diese das Fahrzeug abgestellt und sich für kurze Zeit entfernt hatte. Die zum damaligen Zeitpunkt 14-jährige Tochter der Antragstellerin drehte den im Zündschloss steckenden Schlüssel um, um eine elektrische Verbindung zur Batterie herzustellen, weil sie Autoradio hören wollte. Da sie den Zündschlüssel versehentlich zu weit drehte, wurde der Motor gestartet und der Pkw fuhr wegen des eingelegten Vorwärtsganges los und beschädigte einen in der Nähe abgestellten Pkw, an dem ein Schaden von 8.295,11 Euro eintrat. Der Kfz-Haftpflichtversicherer der Halterin des Pkw erstattete den dem geschädigten Dritten entstandenen Schaden und nimmt die Tochter der Antragstellerin im Wege des Regresses auf Zahlung dieses Betrages in Anspruch. Die Antragstellerin begehrt nunmehr wegen dieses verfolgten Anspruchs Deckungsschutz aus der mit der Antragsgegnerin geschlossenen Privathaftpflichtversicherung.

Die Antragstellerin und dem folgend das LG haben dies unter Berufung auf die sog. "kleine Benzinklausel" in III. Nr. 1 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen für die Haftpflichtversicherung zurückgewiesen. Diese lautet:

"Nicht versichert ist die gesetzliche Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugs wegen Schäden, die durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursacht werden."

2. Die Voraussetzungen dieser Ausschlussklausel sind indessen nicht erfüllt, da die Tochter der Antragstellerin nicht als Führerin des Pkw anzusehen ist und die entstandenen Schäden nicht im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Fahrzeugs stehen. Diese Klausel dient der Abgrenzung zwischen den Deckungsbereichen der Privat- und der Kfz-Haftpflichtversicherung und bezweckt einerseits - abstrakt gesehen - einen lückenlosen Deckungsanschluss zwischen den beiden Versicherungsarten sowie andererseits die Vermeidung von Doppelversicherungen (BGH 1984, 854; OLG Saarbrücken v. 20.3.1991 - 5 U 46/90, VersR 1991, 1400). Von der Privathaftpflichtversicherung sollen also grundsätzlich die Schäden abgedeckt werden, die nicht unter den Umfang der Kfz-Haftpflichtversicherung nach § 10 AKB fallen.

Maßgebend für die Abgrenzung ist mithin, ob der Schadensfall mit dem Gefahrenbereich, für den der Kfz-Haftpflichtversicherer deckungspflichtig ist, in einem inneren Zusammenhang steht, ob es sich also um typische, vom Gebrauch des Fahrzeugs selbst und unmittelbar ausgehende Gefahren handelt (BGH v. 27.10.1993 - IV ZR 243/92, MDR 1995, 44 = VersR 1994, 83 [84]; OLG Düsseldorf v. 7.4.1992 - 4 U 123/91, VersR 1993, 302 [303]; OLG Hamm v. 17.1.1990 - 20 U 184/89, VersR 1991, 218 [219]; OLG Saarbrücken v. 20.3.1991 - 5 U 46/90, VersR 1991, 1400). Schäden, die ihre überwiegende Ursache nicht im Gebrauch des Fahrzeugs selbst haben, sondern mit diesem nur in einem rein äußeren zeitlichen und örtlichen Zus...

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