Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zustimmung eines Ehegatten zur gemeinsamen Einkommenssteuerveranlagung kann nicht von einem Ausgleich der dadurch ausgelösten steuerlichen Nachteile des zustimmenden Ehegatten abhängig gemacht werden, soweit die steuerrechtlichen Verhältnisse durch die ehelichen Lebensverhältnisse familienrechtlich überlagert wurden. Das ist nicht nur der Fall, solange die Ehepartner zusammenleben und gemeinsam wirtschaften und unmittelbar von einer günstigen Steuerklasse profitieren. Dies gilt vielmehr auch, wenn die günstigere Steuerklasse des Unterhaltspflichtigen im Rahmen eines Trennungsunterhaltsverfahrens bei der Berechnung seines Einkommens zugrunde gelegt wird und so zu einem höheren Unterhaltsanspruch des zustimmungspflichtigen Ehegatten führt.

 

Normenkette

BGB § 1353 Abs. 1 S. 1, § 426 Abs. 1 S. 1; EStG §§ 10d, 26

 

Verfahrensgang

AG Bremen-Blumenthal (Aktenzeichen 72 F 318/10)

 

Tenor

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, ihre Zustimmung zur gemeinsamen steuerlichen Veranlagung für das Kalenderjahr 2008 zu erteilen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.564,20 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Antragsteller verfolgt im vorliegenden Verfahren die vorbehaltslose Zustimmung der Antragsgegnerin zur gemeinsamen Veranlagung für das Jahr 2008, das Jahr der Trennung. Während des Zusammenlebens haben die Parteien mit Rücksicht auf das höhere Einkommen des Antragstellers die Steuerklassen III/V gewählt. Dabei blieb es auch nach der Trennung im April 2008. Ab Oktober 2008 haben die Parteien sich einverständlich für die Steuerklassen IV/IV entschieden. Die Antragsgegnerin hat in der Zwischenzeit eine getrennte Veranlagung für das Jahr 2008 beantragt. Sie hat im April 2010 eine Steuererstattung von 3.679 EUR erhalten. Bei gemeinsamer Veranlagung würde sich für die Parteien ein Erstattungsanspruch von 1.770,39 EUR ergeben. Bliebe es hingegen bei der getrennten Veranlagung, müsste der Antragsteller nach seinen Angaben eine Nachzahlung von 2.840,92 EUR erbringen. Die Parteien streiten u.a. vor dem Familiengericht über die Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung von Trennungsunterhalt (Geschäftsnummer 72 F 342/10 UE). Das Verfahren ist bisher nicht abgeschlossen. Das Familiengericht hat im vorliegenden Verfahren den Antrag des Antragstellers auf Erteilung der vorbehaltslosen Zustimmung mit einem am 16.12.2010 verkündeten und dem Antragsteller am 22.12.2010 zugestellten Beschluss zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin der gemeinsamen Veranlagung nur gegen Erstattung der damit verbundenen Nachteile zustimmen müsse. Da der Antragsteller dies ablehne, sei sein Antrag zurückzuweisen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 14.1.2011, die er mit einem am 22.2.2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

B. Die zulässige (§§ 58 ff. FamFG) Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Ein Ehegatte ist gegenüber dem anderen verpflichtet, einer von diesem gewünschten Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene dadurch keiner Belastung ausgesetzt ist (BGH FamRZ 2007, 1229; FamRZ 2010, 269). In der Doppelverdienerehe wirken sich die Vorteile der gemeinsamen Veranlagung regelmäßig nur bei dem besser verdienenden Ehegatten aus. Der andere, der in der Ehe die ungünstige Steuerklasse V gewählt hatte, verliert durch die gemeinsame Veranlagung den ihm bei getrennter Veranlagung zustehenden Steuererstattungsanspruch meist ganz oder zumindest zum großen Teil. Da das Steuerrecht die Möglichkeit zur gemeinsamen Veranlagung im Jahr der Trennung unabhängig davon gewährt, wie lange die Parteien in dieser Zeit noch zusammengelebt haben, kann die gemeinsame Veranlagung stets gewählt werden. Dies gilt auch dann noch, wenn einer der Ehegatten bereits eine getrennte Veranlagung durchgeführt hat. Würde der auf Zustimmung klagende Ehegatte dem anderen aber alle tatsächlichen Nachteile erstatten müssen, die jenem durch den Verlust des Rechts zur getrennten Veranlagung entstehen, würde der auf den Nachteilsausgleich pochende Ehegatte sich jedoch widersprüchlich verhalten. Denn durch die von den Ehegatten während des Zusammenlebens vorgenommene Steuerklassenwahl (III/V), standen den Ehegatten mehr Mittel für den gemeinsamen Lebensunterhalt zur Verfügung. Damit haben sie im Innenverhältnis eine von der Regelung des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB abweichende Aufteilung der Steuerlast verabredet. Sie haben in Kauf genommen, dass das höhere Einkommen des einen relativ niedrig und das Einkommen des anderen relativ hoch besteuert wurde. An einer solchen bis zur Trennung praktizierten Handhabung haben sich die Ehegatten mangels einer entgegenstehenden Vereinbarung für die Zeit des Zusammenlebens auch festhalten zu lassen (BGH FamRZ 2010, 269, 271; FamRZ 2007, 1229 [1230]; Wev...

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