Normenkette

ZPO § 485 Abs. 2, § 493 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Beschluss vom 30.01.2009; Aktenzeichen 1 OH 60/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG Bremen - 1. Zivilkammer, Einzelrichter - von 30.1.2009 wird auf Kosten der Antragsteller (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 10.000 EUR.

 

Gründe

Die Beschwerdeführer haben bei dem LG Bremen die Durchführung des Verfahrens der selbständigen Beweiserhebung beantragt (§ 485 ZPO) mit dem Ziel, behauptete Mängel in ihrer Wohnung durch einen Sachverständigen begutachten zu lassen.

Die Antragsgegnerin beruft sich u.a. darauf, dass die Parteien eine Schiedsgutachterabrede getroffen hätten. Die Begutachtung der behaupteten Mängel sei deshalb allein Sache des Schiedsgutachters. Aus diesem Grund fehle es für den Antrag auf Anordnung eines selbständigen Beweisverfahrens an einem Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller.

Die Antragsteller halten demgegenüber das Rechtsschutzinteresse an der beantragten Beweissicherung für gegeben. Das eingeholte Schiedsgutachten sei nämlich inhaltlich "so schwach", dass eine "zufriedenstellende Nachbesserung des Schiedsgutachtens" nicht zu erwarten sei. Bei dieser Sachlage sei eine Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens geboten und zulässig.

Mit Beschluss vom 30.1.2009 hat die 1. Zivilkammer des LG Bremen den Beweissicherungsantrag der Antragsteller vom 12.9.2008 zurückgewiesen.

Der landgerichtliche Beschluss ist den Antragstellern am 11.2.2009 zugestellt worden. Am 24.2.2009 haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG mit Beschluss vom 5.3.2009 nicht abgeholfen hat.

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG Bremen vom 30.1.2009 ist statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; insbesondere ist sie frist- und formgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO).

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller ist jedoch unbegründet.

Zu Recht hat das LG in dem angefochtenen Beschluss die Ansicht vertreten, dem von den Antragstellern gestellten Beweissicherungsantrag fehle das nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO erforderliche Rechtschutzinteresse. Dass es sich so verhält, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Nach § 493 Abs. 1 ZPO steht die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich, wenn sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, über die selbständig Beweis erhoben worden ist. Eine Schiedsgutachterabrede schließt regelmäßig in seiner Reichweite aus, dass das Prozessgericht selbst Beweis erhebt; das Schiedsgutachten hat nämlich einen Tatsachenwert und bindet daher grundsätzlich die staatlichen Gerichte (s. nur Baumbach-Hartmann, Kommentar zur ZPO, 67. Aufl. 2009, Grundzüge § 1025 Rz. 17). Das bedeutet auch, dass das Ergebnis einer gleichwohl stattfindenden Beweisaufnahme nicht verwertet werden darf. Im Hinblick auf § 493 Abs. 1 ZPO zwingt dies zu der Schlussfolgerung, dass auch das Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens vom Gericht nicht zu beachten ist, soweit die Schiedsgutachterabrede reicht (von Bernuth, ZIP 1998, 2081 [2086]). Dies bedeutet: Soweit die Schiedsgutachterabrede reicht, geht sie dem Ergebnis eines selbständigen Beweisverfahrens nicht nur vor, sondern sie gilt allein. Jedes auf andere Weise gewonnene Beweisergebnis ist vollständig unbeachtlich - mit einer wesentlichen Einschränkung: Streiten sich die Parteien, ob das Schiedsgutachten entsprechend § 319 Abs. 1 BGB offenbar unrichtig ist, so können sich die Parteien auf das Ergebnis des selbständigen Beweisverfahrens stützen (von Bernuth, a.a.O.; s. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.4.2002, OLGReport 2002, 467 f.; OLG Koblenz, Beschl. v. 15.7.1998 - 5 W 464/98).

Im vorliegenden Fall bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller für einen Antrag im selbständigen Beweisverfahren mithin allenfalls dann, wenn diese die offenbare Unrichtigkeit des eingeholten Schiedsgutachtens des Dipl.-Ing. S. behaupteten und mit dem Antrag im selbständigen Beweisverfahren die Überprüfung des Schiedsgutachtens allein unter dem Gesichtspunkt seiner offenbaren Unrichtigkeit geltend machten.

Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Zum einen behaupten die Antragsteller lediglich, das von dem Sachverständigen S. vorgelegte Schiedsgutachten sei "inhaltlich so schwach, dass eine zufriedenstellende Nachbesserung durch den Sachverständigen nicht mehr zu erwarten" sei. Damit machen die Antragsteller selbst nicht geltend, das eingeholte Schiedsgutachten sei "offenbar unrichtig", wie es indes erforderlich wäre.

Zum anderen zielt der in dem selbständigen Beweisverfahren gestellte Antrag auf eine umfassende neue Begutachtung der dem Schiedsgutachter vorgelegten Fragestellung ab. Für eine solche umfassende Neubegutachtung im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens fehlt den Antragstellern - aus den vorstehend genannten Gründen - das Rechtsschutzbedürfnis.

 

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