Leitsatz (amtlich)

1. Vereinbaren die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich, dass eine Seite „die Kosten des Rechtsstreits” zu tragen habe, so ist einer solchen Bestimmung eine Abweichung von der in § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO enthaltenen Regelung zu sehen.

2. Meldet sich der zum Prozessbevollmächtigten einer Partei bestellte Rechtsanwalt zur Akte, ohne einen Sachantrag anzukündigen, und wird in einem auf seine Bitte anberaumten Termin in seiner Anwesenheit ein Vergleich protokolliert, so ist die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO angefallen.

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3 S. 2; BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 7 0 1583/00a)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.10.2002 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Bremen vom 22.10.2002, soweit ihr nicht abgeholfen worden ist, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

 

Gründe

I. Das LG – 7. Zivilkammer – hat mit Urteil vom 6.12.2001 die Beklagte zu einer Zahlung von 79.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt, und sie hat in einem weiteren Schriftsatz die Berufung auch begründet. Ohne einen Gegenantrag zu stellen, hat sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 17.4.2002 erstmals in der Berufungsinstanz zu den Akten gemeldet und mitgeteilt, die Parteien hätten sich nunmehr außergerichtlich geeinigt und bäten um die kurzfristige Anberaumung eines Termins zur Vergleichsprotokollierung. Im Termin vom 23.7.2002 haben die Parteien daraufhin einen Vergleich zu Protokoll gegeben. Darin heißt es zu den Kosten:

„Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte und Berufungsklägerin. Die anwaltlichen Kosten des Vergleichs trägt jede Partei für sich.”

Auf Antrag der Klägerin setzte der Rechtspfleger mit Beschluss vom 22.10.2002 die nach dem Vergleich von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 6.396,37 Euro fest. Hierbei wurde für den Berufungsrechtszug eine 13/10 Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (Prozessgebühr) in Ansatz gebracht.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, der das LG durch Beschluss vom 6.1.2003 teilweise abgeholfen hat, indem es die in Ansatz gebrachte Gebühr für den Streitwert von 79.000 DM nach unten korrigiert hat und somit zu einem Erstattungsbetrag von 6.102,57 Euro gelangt ist.

Die Beklagte ist der Auffassung, eine Prozessgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO sei in zweiter Instanz für den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht entstanden.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 30.10.2002 ist an sich statthaft und auch i.Ü. zulässig. Insbesondere ist sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt (§§ 567, 569 ZPO).

Sie ist jedoch unbegründet.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG vom 22.10.2002 i.d.F. des Teilabhilfebeschlusses vom 6.1.2003 ist zutreffend.

Er beruht auf dem im Termin vom 23.7.2002 von den Parteien geschlossenen Prozessvergleich. Mit Rücksicht auf den Umstand, dass die Beklagte darin – mit Ausnahme der Vergleichskosten – die gesamten Kosten des Rechtsstreits übernommen hat, war der frühere Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.1.2002 gegenstandslos geworden. Dies gilt auch, soweit die Klägerin in erster Instanz ihre Klage teilweise zurückgenommen hatte. Die gesetzliche Kostenregelung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO ist einer abweichenden Parteivereinbarung, insb. durch Vergleich, zugänglich (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, Kommentar ZPO, 60. Aufl., Rz. 33 zu § 269). Eine solche Abweichung von der gesetzlichen Kostenfolge haben die Parteien vorliegend in ihrem Vergleich vom 23.7.2002 geregelt. Die Vereinbarung, wonach die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits trägt, lässt nicht erkennen, dass die Kosten hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage hiervon ausgenommen sein sollten.

Zutreffend hat das LG in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss eine 13/10 Gebühr (Prozessgebühr) in Ansatz gebracht. Die Prozessgebühr ist auf Seiten der Klägerin dadurch entstanden, dass der klägerische Prozessbevollmächtigte den Termin am 23.7.2002 durch einen Vertreter wahrgenommen hat.

Nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die Prozessgebühr das Betreiben des Geschäfts; die Gebühr gilt die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts außerhalb der mündlichen Verhandlung, der Erörterung im Termin und des Beweisaufnahmeverfahrens ab (Keller in Riedel/Sußbauer, Kommentar BRAGO, 8. Aufl., Rz. 20, 21 zu § 31; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Rz. 11 zu § 31 BRAGO). Zur Entstehung gelangt sie, soweit der Auftraggeber den Rechtsanwalt zum Prozessbevollmächtigten bestellt hat und sobald dieser irgendeine Tätigkeit des prozessbezogenen Auftrags wahrgenommen hat (Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., Rz. 4, 14 zu § 31 BRAGO sowie – für das Rechtsmittelverfahren – Gerold/Schmidt/von Eicken, Kommentar BRAGO, 15. Aufl., Rz. 20 zu § 31).

Unzweifelhaft ist vorliegend die Bestellung des Rechtsanwalts Dr. L. zum Prozessbevollmächtigten auch in der Berufungsinstanz durch die Klägerin erfolgt. E...

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