Entscheidungsstichwort (Thema)

Sittliche Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind gemäß § 1767 Abs. 1 BGB; Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Beurteilung der sittlichen Rechtfertigung der Annahme eines Volljährigen als Kind gemäß § 1767 Abs. 1 BGB kommt es in der Regel nicht entscheidend darauf an, wie das Verhältnis der Beteiligten war, solange ein Elternteil des Anzunehmenden noch lebte, sofern der Anzunehmende zu diesem eine intakte Beziehung hatte und keine Lebensgemeinschaft des Annehmenden mit diesem Elternteil bestand. Denn bei einer solchen Konstellation wäre auch eine "Weg-Adoption" nicht in Betracht gekommen. Entscheidend ist daher, wie sich das Verhältnis der Beteiligten nach dem Tod dieses Elternteils weiterentwickelt hat.

2. Zwar ist bei Zweifeln am Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses der Adoptionsantrag zurückzuweisen. Unschädlich ist dagegen, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis zweifelsfrei besteht und lediglich unklar ist, inwiefern weitere Motive für die Antragstellung eine Rolle gespielt haben. Dies gilt erst recht, wenn das Motiv (hier: Erleichterung der Fortführung des "Lebenswerkes" des Annehmenden durch den Anzunehmenden) als familienbezogen zu werten ist.

 

Normenkette

BGB § 1767 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Aktenzeichen 151 F 184/19)

 

Tenor

auf die Beschwerde des Anzunehmenden und des Annehmenden wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremerhaven vom 11.06.2019 bezüglich des ersten Satzes des Tenors wie folgt abgeändert:

Herr [...], geb. am [...]1966 in [...], wohnhaft [...], wird von Herrn [...], geb. am [...]1952 in [...], wohnhaft [...], als Kind angenommen und führt den Geburtsnamen [...].

Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 50.000,00 festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist eine Volljährigenadoption.

Der verfahrensbevollmächtigte Notar hat unter dem 07.02.2019, beim Amtsgericht - Familiengericht - X, eingegangen am 08.02.2019, unter Bezugnahme auf seine notarielle Urkunde vom 04.02.2019 zur UR-Nr. [...]/2019 und den dortigen Anträgen der Beteiligten beantragt, die Annahme des volljährigen, nämlich 52-jährigen Anzunehmenden als Kind des inzwischen 67-jährigen Annehmenden gemäß §§ 1767, 1770 BGB auszusprechen. Gegenstand des Antrages ist auch eine Namensänderung des Anzunehmenden wie aus dem Tenor ersichtlich.

Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Annehmende und der Anzunehmende sich bereits seit 1990 kennen würden und auch schon zuvor eine Bekanntschaft über die Eltern bestanden habe. Sie seien beide Schausteller und würden sich beruflich und privat in allen Bereichen unterstützen, in denen der jeweils andere Hilfe nötig haben. Hierauf könnten sie sich jederzeit verlassen. [...]

Das Amtsgericht - Familiengericht - X hat die Beteiligten persönlich angehört und sodann den Antrag mit Beschluss vom 11.06.2019 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwischen den Beteiligten die Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses nicht festgestellt werden könne. Im Rahmen der persönlichen Anhörung hätten die Beteiligten ihr Verhältnis vielmehr als intensive Freundschaft beschrieben. Die Beteiligten würden sich zudem auf Augenhöhe begegnen, so dass schon nicht klar sei, wer die Rolle des Vaters und wer diejenige des Sohnes einnehmen solle. Hinzu komme, dass die Motivation, den Antrag zu stellen, nach den eigenen Angaben der Beteiligten darin liege, Schwierigkeiten bei der Weitergabe des Marktstellplatzes zu vermeiden.

Unter dem 10.07.2019 hat der verfahrensbevollmächtigte Notar für den Anzunehmenden und den Annehmenden Beschwerde unter Wiederholung der zuvor gestellten Anträge eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass der Annehmende dem Anzunehmenden schon nach dem Tod des Vaters, erst recht aber nach dem Versterben der Mutter [...], bei der er bis zum 30. Lebensjahr gewohnt hatte, die Eltern ersetzt habe. Wie ein Vater habe er ihm in näher beschriebener Weise bei der Schaffung einer Existenzgrundlage beigestanden. Später habe er die Rolle der Mutter übernommen, wie auch Außenstehende angemerkt hätten. [...] Es bestehe daher schon seit Jahrzehnten, spätestens aber seit 2003 ein Eltern-Kind-Verhältnis. Dies zeige sich auch daran, dass der Annehmende den Anzunehmenden unter Zurücksetzung des eigenen Lebenspartners zum Alleinerben eingesetzt habe, wie man dies nur für ein Kind, nicht aber einen Freund tue. Der Anzunehmende solle das Lebenswerk des Annehmenden fortführen. Auf die inzwischen gleichberechtigte Beziehung komme es nicht an, da dies auch der natürlichen Entwicklung des Eltern-Kind-Verhältnisses entspreche. Auch reiche der Altersabstand für eine biologische Elternschaft aus. Beide Beteiligten hätten keine eigenen Kinder. Das Amtsgericht habe insofern die gebotene Gesamtwürdigung versäumt.

Auf entsprechenden Hinweis des Senates mit Verfügung vom 09.09...

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