Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das unterhaltsberechtigte minderjährige Kind im Antragsverfahren auch dann, wenn es das vereinfachte Unterhaltsverfahren betreiben könnte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem unterhaltsberechtigten minderjährigen Kind steht es frei, zur Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs gegen den barunterhaltsverpflichteten Elternteil das vereinfachte Verfahren oder das Antragsverfahren zu betreiben, weshalb ihm für beide Verfahrensarten ein Anspruch auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zusteht.

2. Der auf Verfahrenskostenhilfe angewiesene Unterhaltsberechtigte verhält sich nicht mutwillig i.S.d. § 114 Abs. 2 ZPO, wenn er seinen Unterhaltsanspruch mittels Leistungsantrags verfolgt, obwohl der Unterhaltsverpflichtete auf sein außergerichtliches Auskunfts- oder Zahlungsverlangen nicht reagiert hat. Allein die Nichtreaktion auf außergerichtliche Anfragen würde einen nicht auf Verfahrenskostenhilfe angewiesenen Unterhaltsgläubiger nicht dazu veranlassen, seinen Unterhaltsanspruch vernünftigerweise nun nur noch im vereinfachten Verfahren geltend zu machen.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1, §§ 249, 255; ZPO § 114 Abs. 2, §§ 115, 117

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Aktenzeichen 56 F 4320/17)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 2.2.2018 dahingehend abgeändert, dass der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X bewilligt wird, soweit sie ein auf die Zahlung von Kindesunterhalt gerichtetes Verfahren gegen den Antragsgegner mit dem Antrag betreiben möchte, den Antragsgegner zu verpflichten, an sie fortlaufenden Mindestkindesunterhalt in Höhe von 100 % der Düsseldorfer Tabelle der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes zu zahlen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Bei der Antragstellerin handelt es sich um die 8-jährige Tochter des Antragsgegners, die die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten begehrt, um gegen den Antragsgegner ein Verfahren auf Mindestkindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle betreiben zu können. Die Antragstellerin, die bei ihrer Mutter lebt, hat den Antragsgegner mit Schreiben vom 16.8.2017 zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert, worauf er nicht reagiert hat.

Mit Schreiben vom 4.1.2018 hat das Familiengericht die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass Bedenken gegen die Verfahrenskostenhilfebewilligung bestünden, da die Antragstellerin den Unterhalt einfacher und kostengünstiger im vereinfachten Unterhaltsverfahren gemäß § 249 FamFG geltend machen könne. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 11.1.2018 vorgetragen, ihr Antrag auf Verfahrenskostenbewilligung sei nicht mutwillig i.S.d. § 114 ZPO, da ihr die Wahl offenstehe, ob sie das vereinfachte Verfahren oder das Klageverfahren betreibe. Das vereinfachte Unterhaltsverfahren sei insbesondere dann, wenn eine Mangelfallberechnung durchzuführen sei, wie wahrscheinlich im vorliegenden Fall, unpraktikabel. Angesichts dessen, dass der Gesetzgeber dem Unterhaltsgläubiger die Wahl des Verfahrens zur Geltendmachung seines Unterhaltsanspruches überlassen habe, würde diese Wahlmöglichkeit unterlaufen, wenn bedürftige Menschen sich für das vereinfachte Verfahren entscheiden müssten. Dies wäre eine sachwidrige Ungleichbehandlung.

Ohne zuvor den Verfahrenskostenhilfeantrag an den Antragsgegner mit Gelegenheit zur Stellungnahme zu übersenden, hat das Familiengericht mit Beschluss vom 2.2.2018 den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen. Die Antragstellerin könne ihre Interessen im vereinfachten Unterhaltsverfahren gemäß § 249 FamFG geltend machen, weshalb das beabsichtigte Betreiben des Klageverfahrens mutwillig sei. Anhaltspunkte für Einwendungen des Antragsgegners, die nicht im vereinfachten Verfahren abschließend behandelt werden könnten, bestünden nicht.

Gegen diesen, dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am 6.2.2018 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 28.2.2018 beim Amtsgericht Bremen sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wiederholt hierin ihre bereits im Schriftsatz vom 11.1.2018 dargelegte Auffassung und führt weiter aus, bislang habe der Kindesvater keinen Unterhalt gezahlt und außergerichtlich stets erklärt, dass er nicht leistungsfähig sei.

Mit Beschluss vom 2.3.2017 hat das Familiengericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Mit Schreiben vom 12.3.2018 ist dem Antragsgegner durch das Beschwerdegericht unter Übersendung des Verfahrenskostenhilfeantrags, der amtsgerichtlichen Beschlüsse vom 2.2.2018 und 2.3.2018 sowie der Beschwerdeschrift vom 28.2.2018 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Der Antragsgegner hat keine Stellungnahme abgegeben.

II. 1. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragsteller...

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