Entscheidungsstichwort (Thema)

Fiktive Zurechnung von Einkünften aufseiten des aktuellen Ehegatten bei der Bedarfsbemessung nach der Drittelmethode

 

Leitsatz (amtlich)

Es bestehen Bedenken dagegen, in Fällen des Zusammentreffens des Unterhaltsanspruchs eines geschiedenen Ehegatten mit dem eines mit dem Unterhaltspflichtigen in intakter Ehe zusammenlebenden Ehegatten, diesem bei der Bedarfsbemessung im Wege der Drittelmethode ein fiktives Einkommen zuzurechnen, wenn er aufgrund der mit dem Unterhaltspflichtigen vereinbarten Rollenverteilung in der Ehe eine Erwerbstätigkeit nicht oder in geringerem Umfang ausübt, als es ihm im Falle des Getrenntlebens obläge.

 

Normenkette

BGB § 1356 Abs. 2 S. 2, §§ 1360, 1578 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Bremerhaven (Beschluss vom 04.03.2009; Aktenzeichen 153 F 1146/08)

 

Tenor

Auf ihre sofortige Beschwerde wird der Beklagten in Abänderung des Beschlusses des AG - Familiengericht - Bremerhaven vom 4.3.2009 unter Beiordnung von Rechtsanwältin K. insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt, als sie sich gegen die Herabsetzung des durch Urteil des AG - Familiengericht - Bremerhaven vom 5.12.2006 (Gesch.-Nr. 153 F 542/05) titulierten nachehelichen Unterhalts für den Monat November 2008 insgesamt und für die Zeit ab Dezember 2008 auf weniger als monatlich 200 EUR (davon 39 EUR Altersvorsorgeunterhalt) verteidigt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird auf die Hälfte ermäßigt (Nr. 1812 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG).

 

Gründe

Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil des AG Bremerhaven vom 5.12.2006 (Gesch.-Nr. 153 F 542/05) geschieden, verbunden mit der Verurteilung des Klägers, an die Beklagte ab Rechtskraft der Ehescheidung monatlichen Unterhalt (Aufstockungsunterhalt) i.H.v. 328 EUR (davon 65 EUR Altersvorsorgeunterhalt) zu zahlen. Die am [...] 1956 geborene Beklagte, die über keine Berufsausbildung verfügt, hat vor und während der Ehe der Parteien als Reinigungskraft gearbeitet und übt diese Tätigkeit auch weiterhin aus. Auf einen ehebedingten Pkw-Kredit zahlt sie monatlich 30. EUR Der Kläger hat erneut geheiratet. Seine am [...] 1956 geborene Ehefrau, die gelernte Friseurin ist und ein achtjähriges Kind aus einer anderen Beziehung hat, ist nicht erwerbstätig. Bis zur Eingehung der Ehe mit dem Kläger bezog sie eine Witwenrente. Aufgrund der Eheschließung hat sie eine Abfindung in Höhe des 24-fachen Monatsbetrags der Witwenrente (insgesamt 6.180,72) EUR erhalten.

Mit seiner am 18.11.2008 beim AG Bremerhaven eingereichten und der Beklagten am 2.12.2008 zugestellten Klage begehrt der Kläger, der seit dem 1.2.2008 Einkünfte aus einer Tätigkeit als Bauhelfer erzielt, die Abänderung des Urteils des AG Bremerhaven vom 5.12.2006 (Gesch.-Nr. 153 F 542/05) dahingehend, dass ab November 2008 seine Unterhaltspflicht ggü. der Beklagten entfällt. Er beruft sich zur Begründung seines Klagebegehrens auf Änderungen des Unterhaltsrechts und seines Einkommens sowie auf seine neue Ehe. Er macht geltend, dass die Beklagte keine ehebedingten Nachteile erlitten habe und bei vollschichtiger Erwerbstätigkeit ein monatliches Nettoeinkommen von 964 EUR erzielen könne. Außerdem hält er den Unterhaltsanspruch der Beklagten für verwirkt, da sie seit Jahren mit einem Lebensgefährten zusammenlebe. Er behauptet, berufsbedingte Fahrtkosten von monatlich 300 EUR zu haben (Bl. 70). Der Abfindungsbetrag seiner Ehefrau sei zur Tilgung von Schulden und zur Einrichtung des Kinderzimmers verbraucht worden.

Die Beklagte, die die Abweisung der Klage beantragt und für ihre Verteidigung gegen die Klage um Prozesskostenhilfe nachsucht, bestreitet das Bestehen einer Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner und meint, dass ihr der titulierte Unterhalt weiterhin in voller Höhe zustehe. Sie macht geltend, dass die Ehe der Parteien von langer Dauer gewesen sei. Sie habe sich während der Ehe um die Versorgung und Erziehung der beiden Kinder der Parteien gekümmert und nur geringfügige Beschäftigungen ausgeübt. Dadurch habe sie ehebedingte Nachteile erlitten. Sie unterstütze die in ihrem Haushalt lebende jüngste Tochter der Parteien, die am [...] 1987 geboren ist und sich in der Berufsausbildung befindet. Sie erziele aus mehreren Putzstellen ein monatliches Nettoeinkommen von insgesamt 726,55 EUR, von dem noch die Pkw-Rate und Fahrtkosten (Monatskarte) von 39,10 EUR abzuziehen seien. Weitere Putzstellen könne sie nicht erhalten. Auch aufgrund ihres Alters könne sie ihr Einkommen aus ihrer Tätigkeit als Putzfrau nicht mehr erhöhen. Die jetzige Ehefrau des Klägers sei ihr gegenüber nachrangig. Im Übrigen sei der Ehefrau des Klägers im Rahmen der Unterhaltsberechnung neben der Witwenrente ein fiktives Einkommen von monatlich 500 EUR zuzurechnen, das sie aus eigener Erwerbstätigkeit erzielen könne. Außerdem seien bei dem Kläger und seiner Ehefrau Vorteile aus dem Zusammenleben zu berücksichtigen.

Mit Beschluss vom 4.3.2009 hat das AG der Beklagten unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigt...

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