Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Verhängung eines Fahrverbots nach den §§ 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV bei langem Zeitablauf zwischen der Tat und dem Urteil. Recht der Ordnungswidrigkeiten. Verhängung eines Fahrverbotes. langer Zeitablauf. Vollstreckungslösung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von der Verhängung eines Fahrverbotes nach den §§ 24, 25 StVG, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV kann abgesehen werden, wenn die Tat lange zurückliegt, die Verzögerung nicht dem Betroffenen anzulasten ist und der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat. Dies ist regelmäßig dann zu prüfen, wenn seit der Tat mehr als zwei Jahre vergangen sind.

2. Bei der Beurteilung, ob von der Verhängung eines Fahrverbots unter dem Aspekt der seit der Tat verstrichenen Zeit abzusehen ist, ist grundsätzlich nur auf den Zeitraum von der Begehung der Tat bis zur Entscheidung des Tatgerichts abzustellen. Der weitere Zeitablauf bis zur Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist regelmäßig nicht einzubeziehen.

3. Der weitere Zeitablauf von der Entscheidung des Tatrichters bis zur Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist ausnahmsweise dann zu berücksichtigen, wenn gerade dieser Zeitablauf eine besonders lange Verzögerung beinhaltet hat oder wenn das Rechtsbeschwerdegericht nach § 79 Abs. 6 S. 1 OWiG eine eigene Sachentscheidung trifft und dabei die erstmalige Verhängung des Fahrverbots durch das Rechtsbeschwerdegericht in Rede steht.

4. Die Anwendung der Vollstreckungslösung des Bundesgerichtshofs zur Kompensation vom Betroffenen nicht zu vertretender Verfahrensverzögerungen auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz kann auch im Bußgeldverfahren dazu führen, dass eine verhängte Geldbuße oder ein Fahrverbot als (teilweise) vollstreckt zu erklären ist.

5. Die Verletzung des Beschleunigungsgebots im Rechtsbeschwerdeverfahren ist unter dem Aspekt der Vollstreckungslösung nur aufgrund einer entsprechenden Verfahrensrüge zu prüfen, sofern nicht nach Ablauf der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist eingetretene Verzögerungen betroffen sind, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Wurde das erstinstanzliche Urteil erneut zugestellt, sind auch die Verzögerungen vom Betroffenen zu rügen, die bis zum Ablauf der dadurch neu begonnenen Rechtsbeschwerdebegründungsfrist eingetreten sind.

 

Normenkette

StVG §§ 24-25; BKatV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Entscheidung vom 01.12.2017; Aktenzeichen 74 OWi 620 Js 40056/17 (382/17)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde vom 04.12.2017 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 01.12.2017 wird auf Kosten der Betroffenen als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bremen hat die Betroffene mit Urteil vom 01.12.2017 wegen einer am 21.09.2016 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h (bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h) unter Anwendung der §§ 41 Abs. 1 i.V.m. 49 StVO, 24, 25 StVG, 11.3.7 BKat, § 4 Abs. 1 BKatV zu einer Geldbuße von EUR 160,- € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde vom 04.12.2017, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Unter anderem rügt sie eine mangelnde Berücksichtigung des seit dem Verkehrsverstoß verstrichenen Zeitablaufs.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 29.01.2019 Stellung genommen und beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen als unbegründet zu verwerfen. Die Betroffene hat mit Schriftsatz vom 19.02.2019 hierzu Stellung genommen.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 StPO) und fristgerecht begründete (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde, über die nach deren Übertragung durch den Einzelrichter auf den Senat mit Beschluss nach § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG in der Besetzung durch drei Berufsrichter zu entscheiden war, ist zulässig, aber unbegründet.

1. Soweit die Betroffene gegenüber dem Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 01.12.2017 die Verletzung formellen Rechts in Form einer Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 rügt, ist die Verfahrensrüge nicht in zulässiger Weise erhoben: Die Betroffene stützt ihre Verfahrensrüge auf eine unterbliebene Heranziehung der den Schaltzustand der für den verfahrensgegenständlichen Vorwurf relevanten Wechselverkehrszeichenanlage betreffenden Unterlagen, unterlässt dabei aber in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht genügenden Weise (siehe dazu u.a. BGH, Urteil vom 21.03.2002 - 5 StR 138/01, juris Rn. 25, BGHSt 47, 260) die Mitteilung, dass ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 17.11.2017 diese Unterlagen tatsächlich doch in die Hauptverhandlung eingeführt wurden.

2. Weiter ist auch der auf die allgemeine Sachrüge der Betroffenen hin zu überprüfende Schuldspruch nicht zu beanstanden. Insofern lässt die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht keinen die B...

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