Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen der Billigkeitsabwägung nach § 1579 BGB kommt die Annahme einer Erwerbsobliegenheit der Berechtigten, die einen Unterhaltsanspruch aus § 1361 BGB oder § 1570 BGB wegen Kindesbetreuung hat, bereits mit der Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes in Betracht. Bestehende Betreuungsmöglichkeiten sind zu nutzen.

 

Verfahrensgang

AG Bremen (Entscheidung vom 05.09.2006; Aktenzeichen 61 F 2789/06)

 

Tenor

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. , Bremen, für eine gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 5.9.2006 einzulegende Berufung mit folgenden Anträgen bewilligt:

Der Beklagte wird in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Bremen vom 5.9.2006 verurteilt, an die Klägerin Trennungsunterhalt wie folgt zu zahlen:

für Januar bis Juni 2005 von je EUR 631 und für Juli bis September 2005 von je EUR 581.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin bietet nur zum Teil hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO, und zwar nur hinsichtlich des Zeitraumes vom 1.1. bis 30.9.2005 und auch nur in Höhe von monatlich EUR 631 bis einschließlich Juni 2005 und EUR 581 für die Monate Juli bis September 2005. Dass der Klägerin auch über den 1.10.2005 hinaus und laufend Unterhaltsansprüche zustehen, kann hingegen nicht angenommen werden.

I.

Das Familiengericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Unterhaltsansprüche der Klägerin verwirkt sind (§§ 1361, 1579 Nr. 7 BGB). Zwischen ihr und dem Zeugen M. besteht seit Spätsommer 2002 eine Beziehung, die sich in der Zwischenzeit, auch wenn es bisher nicht zu einer gemeinsamen Haushaltsführung gekommen ist, derart verfestigt hat, dass sie die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1579 Nr. 7 BGB (eine auch nach außen in Erscheinung tretende feste soziale Beziehung) erfüllt. Die Unzumutbarkeit nach § 1579 Nr. 7 BGB kann sich auch aus objektiven Gegebenheiten und Veränderungen der Lebensverhältnisse der Eheleute ergeben, so z.B. wenn der Berechtigte ein auf Dauer angelegtes Verhältnis mit einem anderen Partner aufnimmt und diese Verbindung nach außen hin auf das Bestehen eines festen und dauerhaften Verhältnisses hindeutet, das gleichsam die Ehe ersetzt. Eine gemeinsame Haushaltsführung wird dabei nicht verlangt. Auch ein auf eine gewisse Distanz angelegtes Verhältnis kann ausreichen, wenn die neuen Partner nach außen hin als Paar wahrgenommen werden, indem sie ihre Lebensgestaltung in persönlicher Hinsicht aufeinander einstellen, beispielsweise ihre Freizeit und gemeinsame Urlaube miteinander verbringen, im Familienkreis als Paar erscheinen und auf andere Weise dokumentieren, dass sie füreinander einstehen wollen, etwa indem der neue Partner den Berechtigten bei der Kindererziehung und - betreuung nach Kräften unterstützt (vgl. im Einzelnen BGH, FamRZ 2002, 23; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., Rn. 755; Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Aufl., IV 501, 502.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Auf Grund der Vernehmung des Zeugen M. steht fest, dass die Klägerin und der Zeuge M. seit Spätsommer 2002 miteinander befreundet sind und ein intimes Verhältnis haben. Sie haben dieses Verhältnis nach der Trennung der Parteien im Mai 2003 bis heute fortgesetzt. Der Zeuge M. hat zwar eine eigene Wohnung, er übernachtet aber - offenbar mit Ausnahme des Dienstags, an dem er zum Tauchen geht - regelmäßig in der Wohnung der Klägerin und fährt von dort zur Arbeit. Das hat er in seiner Vernehmung selbst eingeräumt, im Übrigen hat die Klägerin diesen Sachverhalt auch zugestanden. Der Zeuge verbringt seine Freizeit mit der Klägerin und den Kindern. Dem entsprechenden Vortrag des Beklagten, die sich auf die Beobachtungen eines Detektivs und Angaben der Kinder stützen, ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Die Klägerin und der Zeuge haben mit den Kindern der Parteien mindestens zwei Urlaube (2003 und 2005) im Ferienhaus des Vaters des Zeugen in Büsum verbracht. Bei dem Urlaub 2003 waren der Vater des Zeugen und auch die Mutter der Klägerin anwesend, wie der Zeuge bei seiner Vernehmung bekundet hat. Der Ferienaufenthalt im Jahre 2005 ist unstreitig. Die Klägerin und der Zeuge M. gehen gemeinsam zu Geburtstagen des Vaters des Zeugen; der Zeuge M. verbringt seinen Geburtstag in der Wohnung der Klägerin. Er ist bei den Geburtstagen der Kinder der Parteien anwesend. Beim Geburtstag des Sohnes der Parteien im Jahre 2004 waren neben dem Zeugen sein Vater und zwei seiner Freunde anwesend. All dies folgt aus der Vernehmung des Zeugen M. selbst sowie den Beobachtungen des Detektivs, die sich der Beklagte zueigen gemacht und die die Klägerin insoweit nicht substantiiert bestritten hat. Der Zeuge bringt auch den Sohn der Parteien gelegentlich zur Schule, er geht, wie die Kinder berichten, mit ihnen Eislaufen und zum Einkaufen. Daraus folgt, wovon auch das Familiengericht ausgegangen ist...

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