Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinsamer Gerichtsstand bei Unzulässigkeit der Rüge der Unzuständigkeit des Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegt auch dann vor, wenn die Beklagten mit der Rüge der örtlichen Unzuständigkeit des Gerichts ausgeschlossen sind.

2. Kaufleute können sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mit der Begründung, der Vertragspartner sei gemäß § 38 Abs. 1 ZPO nicht berechtigt, ein unzuständiges Gericht als zuständig zu vereinbaren, auf die Unwirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung berufen.

 

Normenkette

ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 38 Abs. 1, § 39 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Aktenzeichen 7 O 33/21)

 

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

I. Der Kläger hat die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO beantragt.

Er macht mit seiner Klage (auch aus abgetretenem Recht) Ansprüche aus einem GmbH-Geschäftsanteils- und Grundstücksübertragungsvertrag geltend, mit dem der Kläger und weitere natürliche Personen letztlich eine Appartementanlage auf X auf die Beklagten übertragen haben. In dem notariell beurkundeten Vertrag (vom 17.04.2018, UR-Nr. ... der Notarin Y) hatten die Parteien Folgendes vereinbart (Abschnitt D § 2 Abs. 2, S.43, Bl. 35 d.A.):

"Ausschließlicher Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag ist, soweit gesetzlich zulässig, Bremen, Deutschland".

Auf die beim Landgericht Bremen erhobene Klage haben die Beklagten - nach einem Hinweis des Gerichts auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung - die Zuständigkeit des Landgerichts gerügt.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten könnten sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf die Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung berufen, weil § 38 Abs. 1 ZPO den Kläger als Nichtkaufmann schützen wolle, der aber gerade den vereinbarten Gerichtsstand - an dem er auch seinen Wohnsitz hat - in Anspruch nehmen wolle. Als zuständig zu bestimmen sei daher das Landgericht Bremen.

Die Beklagten meinen dagegen, zwingend sei ein Gericht als zuständig zu bestimmen, bei denen eine der Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand habe. Für den Fall der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht X.... würde die Beklagte zu 2) sich dort rügelos einlassen.

II. Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts ist statthaft. Insbesondere ist ein solcher Antrag auch noch nach Beginn des Rechtsstreits möglich, jedenfalls, wenn die Klage gegen alle Streitgenossen vor demselben Gericht erhoben worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2011 - X ARZ 388/10, Rdz. 6 - juris).

Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO liegen jedoch nicht vor.

Zwar sind mit den beiden Beklagten Streitgenossen verklagt worden, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben. Entgegen § 36 Abs. 1 Nr. 3 (letzter Halbsatz) ZPO ist aber für die beiden Beklagten ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand - nämlich Bremen - vorhanden.

Allerdings ergibt sich dieser Gerichtsstand nicht aus der Vereinbarung in Abschnitt D § 2 Abs. 2 S.2 des notariellen Vertrages, denn gemäß § 38 Abs. 1 ZPO kann die Zuständigkeit eines eigentlich unzuständigen Gerichts nur von Kaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Sondervermögen begründet werden. Weder der Kläger noch die übrigen Veräußerer erfüllen die dafür erforderlichen persönlichen Eigenschaften. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit auch eindeutig und lässt Ausnahmen für den (seltenen) Fall, dass ein Gerichtsstand am Sitz des Nichtkaufmanns vereinbart wird, nicht zu. Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Entstehen der Streitigkeit (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) liegt ebenfalls nicht vor, weil die Verabredung über den Gerichtsstand im Hauptvertrag und damit vor Entstehen der Uneinigkeit getroffen worden ist. Der Senat sieht, angesichts der eindeutigen Formulierung der Gerichtsstandsvereinbarung in dem notariellen Vertrag, in der Verabredung auch nicht etwa ein Angebot der Beklagten auf Abschluss einer nachträglichen Prorogation, das der Kläger mit der Erhebung der Klage angenommen haben könnte.

Das Landgericht Bremen ist aber örtlich zuständig, weil die Beklagten gehindert sind, die Rüge der Unzuständigkeit dieses Gerichts zu erheben.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Gerichtsstandsregelung, trotz der anderweitigen Formulierung in einer notariell beurkundeten Vereinbarung, zu Lasten der Beklagten als Verzicht auf die Rüge der örtlichen Zuständigkeit im Falle einer Klage in dem vereinbarten Gerichtsstand anzusehen ist.

Die Berufung auf die Unzuständigkeit des eigentlich vereinbarten Gerichts ist jedenfalls aufgrund widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig (§ 242 BGB), weil sich die Beklagten als Kaufleute dazu auf eine Unwirksamkeitsregelung berufen, die dem Schutz der Gegenseite dient. Die Zuständigkeitsregel in § 38 ZPO stellt nicht nur eine reine Zweckmäßigkeitslösung zur begrenzten Ermöglichung der ...

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