Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachehelicher Unterhalt: Dauerhafter unterhaltsrechtlicher Ausgleich bei erheblichen ehebedingten beruflichen Nachteilen aufseiten der Unterhaltsberechtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine zeitliche Befristung des Aufstockungsunterhaltsanspruchs kommt nicht in Betracht, wenn die Unterhaltsberechtigte erhebliche ehebedingte berufliche Nachteile erlitten hat.

 

Normenkette

BGB § 1578 Abs. 1 S. 2 2. Hs. a.F.; ZPO § 323 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Helmstedt (Urteil vom 15.11.2006; Aktenzeichen 12 F 92/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.01.2010; Aktenzeichen XII ZR 100/08)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - Familiengerichts - Helmstedt vom 15.11.2006 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien haben am 14.3.1980 geheiratet. Die Beklagte ist gelernte Erzieherin und hat in diesem Beruf bis zur Geburt ihres ersten Kindes gearbeitet. Aus der Ehe stammen 2 Kinder: Stephanie, geboren am 30.9.1983, und Alexander, geboren am 18.12.1987. Beide Kinder verfügen inzwischen über eigene Einkünfte. Durch Urteil des AG Helmstedt - Aktenzeichen: 12 F 2063/96 - vom 20.6.1997 wurde die Ehe der Parteien rechtskräftig geschieden. Die Beklagte hat kurz nach der Scheidung angefangen, als Bäckereiverkäuferin zu arbeiten. Diese Tätigkeit übt sie bis heute aus. Die Beklagte hat seinerzeit keinen nachehelichen Unterhaltsanspruch geltend gemacht, da sich nach der seinerzeit anzuwendenden Anrechnungsmethode für sie kein Unterhaltsanspruch errechnete.

Nachdem der BGH seine Rechtsprechung geändert hatte und die Einkünfte der Beklagten nunmehr im Wege der Differenzmethode zu berücksichtigen waren, erhob die Beklagte im Mai 2003 vor dem AG Haldensleben - Aktenzeichen: 8 F 206/03 - Klage auf nachehelichen Unterhalt. Mit Urteil vom 25.5.2005 ist der dortige Beklagte und hiesige Kläger zur Zahlung rückständigen Unterhalts sowie zur Zahlung laufenden Unterhalts ab 1.6.2003 i.H.v. monatlich 421 EUR verurteilt worden.

Mit seiner im März 2006 erhobenen Abänderungsklage hat der Kläger begehrt, ab sofort an die Beklagte keinen nachehelichen Unterhalt mehr zahlen zu müssen.

Das AG hat die Klage mit Urteil vom 15.11.2006 abgewiesen. Wegen des Weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz sowie der Begründung der Entscheidung wird auf das vorgenannte Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers.

Der Kläger ist der Ansicht, das Urteil sei bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil ihm das AG das Rechtsschutzinteresse abgesprochen hat. Zudem habe das AG die Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung bzw. Herabsetzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs verkannt, da die vom AG berücksichtigte "grobe Unbilligkeit" im Gesetz nicht vorgesehen sei. Ebenso rechtsfehlerhaft habe das AG entgegen der neueren Rechtsprechung des BGH pauschal auf die Ehedauer abgestellt und allein mit dieser Begründung eine Befristung abgelehnt. Demgegenüber habe es sich mit seinem Vorbringen, dass die Beklagte keine erheblichen beruflichen Nachteile um der Ehe willen auf sich genommen habe und auch sonstige Gründe für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie nicht erkennbar seien, überhaupt nicht auseinandergesetzt.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 15.11.2006 verkündeten Urteils des AG - Familiengerichts - Helmstedt, Aktenzeichen: 12 F 92/06 UE, das Urteil des AG - Familiengerichts - Haldensleben vom 25.5.2005, Aktenzeichen: 8 F 206/03 dahingehend abzuändern, dass der Beklagten ab Rechtshängigkeit keine nachehelichen Unterhaltsansprüche zustehen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Abänderungsklage sei nicht zulässig, da die Gründe, auf die sie gestützt werde, nicht erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung entstanden seien. Vielmehr sei der Kläger mit seinen Einwendungen bereits im Ursprungsverfahren vor dem AG Haldensleben nicht durchgedrungen.

Darüber hinaus hält die Beklagte in Übereinstimmung mit dem AG die Voraussetzungen für eine zeitliche Befristung bzw. Herabsetzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs für nicht gegeben. Sie ist der Ansicht, ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch sei nicht unbillig, da sie ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben und sich damit wirtschaftlich in die Abhängigkeit vom Kläger begeben habe, insgesamt 22 Jahre für Haushalt und Kinder zuständig gewesen sei und auf den Bestand der Ehe und die gemeinsame Lebensplanung vertraut habe. Hätte sie stattdessen weiter in ihrem erlernten Beruf als Erzieherin gearbeitet, wäre sie heute Leiterin einer Kindestagesstätte mit einem Einkommen von mindestens 2.000 EUR netto und würde damit erheblich mehr verdienen als in ihrer nunmehr ausgeübten Tätigkeit als Bäckereiverkäuferin. Nach der Trennung der Parteien sei ihr ein Einstieg in ihren erlernten Beruf aufgrund der veränderten Arbeitsmarktlage, ihrer 14jährigen Ber...

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