Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung eines minder schweren Falles der Steuerhehlerei

 

Leitsatz (amtlich)

Der Strafrahmen des § 374 Abs. 2 S. 2 AO kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass der vom Angeklagten persönlich gezogene Vorteil geringer sei als der Steuerschaden.

Das Fehlen eines Strafschärfungsgrundes (Zuordnung zum Bereich der organisierten Kriminalität) ist nicht geeignet, tragend das Vorliegen eines minder schweren Fall gemäß § 374 Abs. 2 S. 2 AO zu begründen.

 

Normenkette

AO § 374 Abs. 2 S. 2; StGB § 46; EMRK Art. 6 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Entscheidung vom 27.08.2014)

 

Tenor

Auf die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27. August 2014 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revisionen - an eine andere Kammer des Landgerichts Braunschweig zurückverwiesen.

Das weitergehende Rechtsmittel des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Braunschweig am 22. Januar 2014 wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in zwei Fällen (§ 374 Abs. 2 S. 1 AO) mit einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr belegt worden. Die Strafrichterin hat die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung ausgesetzt und zudem zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art 6 Abs.1 MRK) angeordnet, dass 3 Monate der Strafe als vollstreckt gelten. Das Landgericht Braunschweig hat die Berufung des Angeklagten durch das angefochtene Urteil hinsichtlich des Schuldspruchs verworfen. Im Rechtsfolgenausspruch hat die Kammer das amtsgerichtliche Urteil jedoch aufgehoben und unter Annahme eines minder schweren Falles (§ 374 Abs.2 S. 2 AO) eine Gesamtgeldstrafe von nur 140 Tagessätzen zu je 30,- € verhängt. Außerdem hat das Landgericht bestimmt, dass wegen des Konventionsverstoßes 60 Tagessätze als vollstreckt gelten.

Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte der Angeklagte am 3. April 2008 (Fall 1) 400 Stangen und am 30. Juli 2008 (Fall 2) weitere 300 Stangen Zigaretten von dem Zeugen S zu einem Preis von 15,- € je Stange. Die Zigaretten (je 200 Stück pro Stange) seien, was der Angeklagte gewusst habe, unter Umgehung der fälligen Verbrauchssteuern, nämlich von Tabaksteuer in Höhe von 11.008,- € (Fall 1: 80.000 Zigaretten) und von 8.256,- € (Fall 2: 60.000 Zigaretten), in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht worden. Dabei ist die Kammer ohne nähere Ausführungen davon ausgegangen, dass bei der Verbringung in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland für jede der insgesamt 140.000 Zigaretten, deren Marke sich aus den Urteilsfeststellungen nicht ergibt, Tabaksteuer in Höhe von mindestens 13,76 Cent angefallen sei. Der Angeklagte habe die Zigaretten erworben, weil er die Stangen für jeweils rund 20,- € habe weiterverkaufen wollen. Er habe in der Absicht gehandelt, seine Einkommensverhältnisse durch zukünftige Geschäfte, von denen ein weiteres (1.000 Stangen) bereits angebahnt gewesen sei, aufzubessern. Die Entscheidung zur rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sei geboten, weil das Verfahren von August 2009 bis Juni 2012 vom Hauptzollamt nicht gefördert worden sei.

Der Angeklagte hat gegen das Urteil am 1. September 2014 Revision eingelegt. Nach Zustellung der Urteilsgründe (am 25. September 2014) hat er das Rechtsmittel mit einem am 23. Oktober 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und bringt gegen den Schuldspruch vor, dass tragfähige Ausführungen zur Gewerbsmäßigkeit fehlten. Die Kammer habe, obgleich dies erforderlich gewesen sei, seine damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht festgestellt. Nähere Ausführungen zur angeblichen Gewinnspanne von 5,- € seien dem Urteil auch nicht zu entnehmen.

Dass das Verfahren zwischen 2009 und 2012 nicht gefördert worden sei, habe die Kammer fehlerhaft nur im Zusammenhang mit der Vollstreckungslösung erörtert, nicht aber im Rahmen der Strafzumessung. Das Gericht habe sich im Rahmen der Strafzumessung zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass die Tatvorwürfe 6 Jahre zurückliegen. Außerdem habe die Kammer bei der Rechtsfolgenentscheidung nicht berücksichtigt, dass er hinsichtlich des äußeren Geschehens geständig gewesen sei. Ferner liege ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor, weil die Kammer im Rahmen der Vollstreckungslösung bestimmt habe, dass nur 60 Tagessätze als vollstreckt gelten. Dies sei zu beanstanden, weil das Amtsgericht 3 Monate (= 90 Tagessätze) als vollstreckt angesehen habe. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Revisionsbegründung vom 22. Oktober 2014 verwiesen. Der Angeklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 27. August 2014 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer zurückzuverweisen.

Die Staatsanwaltschaft hat gegen das angefochten...

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