Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlung von Energieeinspeisevergütung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betreiber einer Photovoltaikanlage mit einer installierten Leistung von mehr als 100 KW hat keinen Anspruch auf Vergütung von Stromlieferungen, die er ab dem 1.7.2012 erbracht hat, wenn er gleichzeitig seine Anlage nicht mit technischen Einrichtungen (FRE) ausgestattet hat, mit denen der Netzbetreiber jederzeit die Einspeiseleistung bei Netzüberlastung ferngesteuert reduzieren und die jeweilige Einspeiseleistung (Ist-Einspeisung) abrufen kann. In solchen Fällen steht dem Betreiber auch kein Anspruch auf Zahlung des Marktpreises aus Bereicherungs- oder Schadensersatzrecht zu.

2. Der Rückforderung rechtsgrundlos gezahlter Einspeisevergütung kann nicht der Einwand der Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld aus § 814 BGB entgegengehalten werden, wenn zwar Mitarbeiter der Leistungsabteilung des Netzbetreibers bekannt war, dass die FRE-Schalter in der Photovoltaikanlage fehlten, nicht aber der Vertragsabteilung.

3. Die Bestimmung des § 22 Abs. 1 EEG (2008), wonach die Aufrechnung von Vergütungsansprüchen des Betreibers einer Photvoltaikanlage nach § 16 EEG mit einer Forderung des Netzbetreibers nur zulässig ist, soweit die Forderung unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist, verbietet eine Aufrechnung auch bei unstreitiger Tatsachengrundlage, wenn der Anspruch zwischen Anlagen- und Netzbetreiber ohne rechtskräftige Feststellung in rechtlicher Hinsicht streitig ist.

 

Normenkette

EEG §§ 6, 16 Abs. 1, § 17 Abs. 1; EEG 2008 § 22 Abs. 1; EEG § 66 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1, §§ 814, 818 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Urteil vom 05.05.2014; Aktenzeichen 8 O 1284/13)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Braunschweig vom 5.5.2014 - 8 O 1248/13 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.467,04 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf

a) 302,45 EUR seit dem 1.12.2012,

b) 1.215,82 EUR seit dem 1.1.2013,

c) 1.063,37 EUR seit dem 1.2.2013,

d) 3.058,74 EUR seit dem 1.3.2013,

e) 8.413,94 EUR seit dem 1.4.2013,

f) 13.107,29 EUR seit dem 1.5.2013,

g) 8.305,43 EUR seit dem 1.6.2013,

zu zahlen.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.931,37 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.7.2013 zu zahlen.

3. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

4. Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 35.390,98 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.10.2013 zu zahlen.

II. Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

IV. Der Kläger hat von den Kosten des Rechtstreits I. Instanz 43 % zu tragen, die Beklagte 57 %. Von den Kosten des Berufungsrechtszuges haben der Kläger 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.

V. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

VI. Die Revision wird nicht zugelassen.

VII. Der Streitwert für die II. Instanz wird auf die Wertstufe bis 60.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger als Betreiber einer Photovoltaikanlage im L ... weg in W.-S. und die Beklagte als Netzbetreiberin streiten im Wege der Klage und hilfsweisen Widerklage um Einspeisevergütungen für die Monate Juli 2012 bis Mai 2013.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (LGU S. 3 - 6 = Bl. 307 - 308R d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat der Klage bezüglich der Einspeisevergütungen für den Zeitraum 26.11.2012 bis zum 31.5.2013 i.H.v. 35.467,04 EUR nebst Zinsen sowie hinsichtlich der anwaltlichen Nebenkosten i.H.v. 1.931,37 EUR nebst Zinsen stattgegeben, im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Widerklage hat es abgewiesen.

Dem Kläger stünden Vergütungen für die Einspeisungen ab dem 26.11.2012 zu. Für den Zeitraum davor könne er mangels Funktionsfähigkeit des FRE-Schalters keine Einspeisevergütung verlangen. Nach dem EEG treffe den Anlagebetreiber die Pflicht, die Anlage in dem Zustand zu halten, der den Vorgaben des EEG entspreche. Der Umstand, dass ausschließlich die Beklagte berechtigt sei, den FRE-Schalter einzubauen, führe nicht zu einer Pflichtenverlagerung. Es sei vom Kläger zu erwarten und zu verlangen gewesen, dass er bei der Beklagten nach dem Einbau des FRE-Schalters nachfragt. Die Anwendungshinweise des BMU und des BMWi zu § 6 Abs. 2 EEG 2012 seien nicht auf die Anlage des Klägers, nämlich eine solche des § 6 Abs. 1 EEG 2012, zu übertragen.

Die Aufrechnung der Beklagten mit ihrer Rückforderung der Einspeisev...

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