Verfahrensgang

LG Göttingen (Urteil vom 02.12.2004; Aktenzeichen 2 O 612/03)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.04.2007; Aktenzeichen VI ZR 108/06)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Göttingen vom 2.12.2004 - 2 O 612/03 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 199.792 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin erlitt während eines stationären Aufenthalts in der Klinik der Beklagten, nachdem ihr dort ab dem 22.3.2000 zur Behandlung ihrer Herzarrhythmie das Medikament Cordarex (Amiodaron) verabreicht worden war, am 30.3.2000 in der Pause zwischen einer durchgeführten und einer geplanten weiteren Myokardszintigraphie (= bildgebende Kontrastmitteluntersuchung der Herzmuskelfunktionen) einen Kreislaufstillstand, der innerhalb von 10 Minuten durch Reanimation nach Entdeckung zwar beendet werden konnte, der jedoch zu schweren bleibenden Hirnschäden geführt hat. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines diesbezüglich behaupteten ärztlichen Behandlungs- und/oder Aufklärungsfehlers auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch.

Wegen des Sach- und Streitstands erster Instanz sowie der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2-4 = Bl. 85-87 d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat nach Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. V. vom 12.7.2004 sowie nach ergänzender Anhörung des Sachverständigen in der Sitzung vom 11.11.2004 (Bl. 78-80 d.A.) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Herzstillstand sei zwar als Folge der Amiodaron-Gabe anzusehen, ein ärztlicher Kunstfehler sei indes nicht festzustellen. Der Kaliumspiegel sei am 29.3.2000 jedenfalls nicht zu niedrig gewesen, so dass es unerheblich sei, ob er von der Beklagten korrigiert worden sei. Die Behandlung mit Amiodaron sei nicht fehlerhaft gewesen. Bei der Klägerin habe eine Indikation für den Einsatz dieses Reservemedikaments vorgelegen, weil andere Beta-Blocker nicht zufriedenstellend angeschlagen hätten. Die QT-Zeitverlängerung (= Gesamtdauer eines Kammerteils im EKG = Systole) könne unter dem Aspekt der Kontraindikation vernachlässigt werden, da es insoweit keine starren Grenzen gebe. Die unterbliebene Monitor-Überwachung während der Untersuchungspause sei nicht fehlerhaft gewesen, weil die Klägerin keine strukturelle Herzerkrankung aufgewiesen habe und Myokardszintigraphien nach den Leitlinien sogar auch ambulant durchgeführt werden könnten.

Gegen dieses ihr am 7.12.2004 zugestellte (Bl. 92 d.A.) Urteil hat die Klägerin mit dem am 29.12.2004 beim OLG Braunschweig eingegangenen Schriftsatz (Bl. 98 d.A.) Berufung eingelegt, die sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist mit dem am 13.1.2005 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 103 d.A.) begründet hat.

Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Klageziel weiter.

Sie sei über die Risiken der Amiodaronbehandlung nicht aufgeklärt worden; im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung würde sie sich gegen die Einnahme entschieden haben. Das LG habe den Gesichtspunkt der Haftung aus diesem Aufklärungsfehler übersehen. Das Amiodaron weise als Reservemedikament eine erhöhte Komplikationsdichte auf. Eine Dringlichkeit für eine einwilligungsfreie Gabe von Amiodaron habe nicht vorgelegen. Wegen des mindestens grenzwertig niedrigen Kaliumwertes und der QT-Zeitverlängerung habe überdies eine erhöhte Aufklärungspflicht bestanden. Hinsichtlich des Entscheidungskonflikts überzeichne die Beklagte den angeblichen Leidensdruck der Klägerin.

Das LG habe fehlerhaft nicht aufgeklärt, ob der Kaliumspiegel, wie von ihr behauptet, nicht am Untersuchungstag, dem 30.3.2000, zu niedrig war, da die verordneten Medikamente nicht gegeben worden seien.

Die Ausführungen des Sachverständigen und mit ihm die des LG, die unstreitig vorgelegene QT-Zeitverlängerung sei keine Kontraindikation für die Amiodaron-Gabe, sei nicht nachvollziehbar, da mit der auch noch so geringen Grenzwertüberschreitung das Medikament außerhalb der vom Gesundheits-ministerium festgelegten Zulassungsgrenzen angewandt worden sei.

Da die Beklagte selbst die Monitorüberwachung ab 3.3.2000 angeordnet habe, seien die Ausführungen des Sachverständigen nicht nachvollziehbar, eine ständige Überwachungspflicht habe nicht bestanden. Die Umstellung auf Cordarex/Amiodaron sei am 30.3.2000 noch nicht abgeschlossen gewesen, so dass Risiken wie das verwirklichte nicht auszuschließen gewesen seien. Außerdem sei der Beklagten bekannt gewesen, dass sich ihre - die klägerischen - Herzprobleme unter Stress, wie ihn auch eine Myokardszintigraphie bere...

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