Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung einer Umgangsvereinbarung bei verweigerter Wiederaufnahme von Kontakten nach einer mehr als zweijährigen Umgangspause

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lehnt der betreuende Elternteil die Wiederaufnahme titulierter Umgangskontakte nach einer über zweijährigen Umgangspause generell ab, so genügt der umgangsberechtigte Elternteil seiner Darlegungslast, wenn er auf die im Rahmen von Gesprächen beim Jugendamt zum Ausdruck gebrachte Verweigerungshaltung des anderen Elternteils verweist.

2. Der aus einem Umgangstitel verpflichtete Elternteil kann sich nicht durch den Hinweis auf die Kindeswohlwidrigkeit der Umsetzung der titulierten Umgangskontakte entlasten, wenn auf diese Umstände nicht auch ein Antrag auf Abänderung des Umgangstitels und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestützt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19.02.2014, XII ZB 165/13, juris Rn. 26).

 

Normenkette

FamFG § 89

 

Verfahrensgang

AG Helmstedt (Aktenzeichen 4 FH 64/21)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird gegen die Antragsgegnerin wegen der Zuwiderhandlung gegen die durch den Beschluss des Amtsgerichts H. vom 07.05.2018 gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung vom 04.05.2018 (Az. 4 F 700/17 UG) ein Ordnungsgeld i. H. v. 500,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von fünf Tagen, angeordnet.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.

III. Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Eltern der am 06.04.2014 geborenen J. L. B., die bei ihrer Mutter lebt.

Wegen des Umgangs des Antragstellers mit seiner Tochter wurden beim Amtsgericht H. mehrere gerichtliche Verfahren geführt. Zuletzt schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2018 zur Beendigung des Verfahrens zum Aktenzeichen 4 F 700/17 UG folgende Vereinbarung:

"Die Kindeseltern sind sich darüber einig, dass der Kindesvater das Recht zum Umgang mit seiner Tochter J. L. B., geboren am 06.04.2014, in der Zukunft haben wird wie folgt, und zwar donnerstags in der Zeit von 12:30 - 15:00 Uhr. Die Kindesmutter wird J. zur Übergabe nach Möglichkeit um 12:30 Uhr bis spätestens 13:00 Uhr in die Räumlichkeiten des Jugendamts des Landkreises H. bringen und dort unter Beteiligung eines Jugendamtsmitarbeiters an den Kindesvater übergeben. Dieser wird J. zum Ende des Umgangskontakts um 16:00 Uhr in den mütterlichen Haushalt zurückbringen."

Diese Umgangsvereinbarung wurde durch den Beschluss des Amtsgerichts H. vom 07.05.2018 familiengerichtlich gebilligt. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass durch das Gericht bei schuldhaften Zuwiderhandlungen gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld von bis zu 25.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten verhängt werden kann.

Seit November 2019 finden keine Umgangskontakte mehr statt.

In einer an das Jugendamt gerichteten kinderpsychiatrischen Stellungnahme vom 12.11.2019 ist dargelegt, dass J. durch die Begleitumstände der Umgangskontakte deutlich belastet sei. Das direkte Erleben eines Traumas des Kindes durch schädigendes Verhalten des Vaters habe nicht verifiziert werden können. J. sei jedoch in den Übergabesituationen wiederholt mit dem hochaktivierten und ängstlichen Verhalten ihrer Mutter konfrontiert gewesen, das ein angemessenes Maß erheblich überschreite, das Kind in Alarmbereitschaft versetze und den Vater als potenzielle Gefahrenquelle festschreibe.

Auf Anregung des Vaters wurde daraufhin vom Amtsgericht H. Anfang Dezember 2019 ein Verfahren zur Abklärung einer etwaigen Kindeswohlgefährdung zum Aktenzeichen 4 F 822/19 SO eingeleitet, welches noch nicht abgeschlossen ist. Durch Beweisbeschluss vom 11.02.2020 wurde dort ein Sachverständigengutachten zu der Frage des Vorliegens einer Kindeswohlgefährdung von J. - zum einen im Haushalt der Mutter und zum anderen im Falle eines Wechsels zum Vater - in Auftrag gegeben. Wegen der vom Amtsgericht angenommenen Unverwertbarkeit des ersten Gutachtens vom 16.03.2021 wurde im Oktober 2021 ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben, welches noch nicht vorliegt. Zwischenzeitlich hatte der Vater aufgrund der Verfahrensdauer Ende Mai 2021 eine Beschleunigungsrüge erhoben und nach deren Zurückweisung eine Beschleunigungsbeschwerde eingelegt, die durch den Beschluss des Senats vom 16.08.2021 zum Aktenzeichen 1 WF 97/21 zurückgewiesen wurde.

Am 30.12.2019 erstattete die Kindesmutter gegen den Kindesvater Strafanzeige wegen des Verdachts auf schweren sexuellen Missbrauch der Tochter J. Das Ermittlungsverfahren zum Aktenzeichen 213 Js 2037/20 wurde gemäß Verfügung vom 09.06.2020 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Mutter wurde im November 2020 zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 21.12.2020 teilte der in dem Sorgerechtsverfahren zum Aktenzeichen 4 F 822/19 SO bestellte Verfahrensbeistand dem Amtsgericht H. mit, er habe auf seine - im Hinblick auf die Einstellun...

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