Normenkette

BGB §§ 31, 166, 826; WpHG § 13 Abs. 1 aF, § 15 Abs. 1 aF, Abs. 3 aF, § 37 Abs. 2 aF, § 37 b Abs. 1 aF

 

Tenor

in dem Kapitalanleger-Musterverfahren

D... I... GmbH gegen V... AG und

P... Automobil Holding SE

weist der Senat gemäß § 139 Abs. 1 ZPO zu den Fragen der Kursrelevanz (I.), § 15 Abs. 3 WpHG a.F. und des rechtmäßigen Alternativverhaltens (II.), des Nemo-tenetur-Grundsatzes (III.), der Wissenszurechnung (IV.) und § 826 BGB (V.) auf das Folgende hin:

 

Gründe

I. Das Feststellungsziel aus den Schriftsätzen von Q... E... vom 31. Mai 2019 i.V.m. dem Schriftsatz vom 30. September 2019 und dem Schriftsatz von A.... & P.... vom 19. Juni 2019 i.V.m. dem Schriftsatz vom 15. Oktober 2019, jeweils Ziffer (iv) 6.a) lautet:

6. a) Personen, die als verfassungsmäßig berufene Vertreter der Musterbeklagten zu 1) zu qualifizieren sind, war spätestens ab dem 6. Juni 2008 bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1) für die Dauer des Einsatzes der Dieselaggregate mit der internen Bezeichnung EA 189 in ihren Dieselfahrzeugen, beginnend mit dem Modelljahr 2009, entgegen früherer öffentlicher Verlautbarungen nicht in der Lage war, Fahrzeuge mit Dieselmotoren herzustellen, die die in den USA jeweils geltenden NOx-Grenzwerte erfüllen. Diese Personen entschieden sich daher (bzw. nahmen Entscheidungen anderer Mitarbeiter des Konzerns der Musterbeklagten zu 1) zur Kenntnis und akzeptierten diese), PKW mit Dieselmotoren bis auf weiteres, jedenfalls aber für das Modelljahr 2009, auf Grundlage unrichtiger, allein durch eine nach geltenden Vorschriften in den USA unzulässige Manipulationssoftware erreichte Testwerte für NOx-Emissionen, deren Einhaltung Voraussetzung für den Verkauf und die Zulassung aller von der Musterbeklagten zu 1) für den U.S. amerikanischen Markt hergestellten Diesel-PKW war, in Verkehr zu bringen. Daraufhin wurden sämtliche für den U.S.-Markt bestimmten Diesel-PKW für das Modelljahr 2009 mit entsprechender Manipulationssoftware ausgestattet.

(i) Bei diesen Umständen handelte es sich um eine unverzüglich, spätestens am 31. August 2008 zu veröffentlichende, die Musterbeklagte zu 1) unmittelbar betreffende Insiderinformation im Sinne von §§ 13, 15 WpHG in der bis zum 1. Juli 2016 geltenden Fassung.

(ii) Die Unterlassung der vorgenannten Personen, die unverzügliche Veröffentlichung einer Ad hoc-Mitteilung durch die Musterbeklagte zu 1) aufgrund dieser Insiderinformation zu veranlassen, ist sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB.

(iii) Diese Unterlassung war in Bezug auf die Beeinflussung von Anlageentscheidungen Dritter auch vorsätzlich im Sinne des § 826 BGB.

(iv) Die Unterlassung dieser Ad-hoc-Mitteilung erfolgte vorsätzlich, hilfsweise grob fahrlässig im Sinne des § 37b Abs. 2 WpHG in seiner bis zum 1. Juli 2016 geltenden Fassung.

1. Der Senat geht davon aus, dass der erste Satz dieses Feststellungsziels jeweils wie folgt zu lesen ist:

a) Personen, die als verfassungsmäßig berufene Vertreter der Musterbeklagten zu 1) zu qualifizieren sind, war spätestens ab dem 6. Juni 2008 bekannt, dass die Musterbeklagte zu 1) für die Dauer des Einsatzes der Dieselaggregate mit der internen Bezeichnung EA 189 in ihren Dieselfahrzeugen, beginnend mit dem Modelljahr 2009, entgegen früherer öffentlicher Verlautbarungen nicht in der Lage war, Fahrzeuge mit Dieselmotoren herzustellen, die die in den USA jeweils geltenden NOx-Grenzwerte erfüllen, und in ausreichendem Maße von den Kunden auf dem US-amerikanischen Markt nachgefragt würden. ...

Diese Klarstellung beruht darauf, dass es der Musterbeklagten nach dem Verständnis des Senats unter Inkaufnahme erheblicher Nachteile an anderer Stelle technisch möglich gewesen wäre, Dieselmotoren herzustellen, die die in den USA jeweils geltenden NOx-Grenzwerte erfüllt hätten, Fahrzeuge mit den entsprechenden Nachteilen aber nicht marktgängig gewesen wären (vgl. etwa Initialschriftsatz der Musterklägerin vom 4. August 2017, Rn. 70-74, 132; Schriftsatz der Beigeladenen California State Teachers' Retirement System (CalSTRS) u.a. vom 15. Dezember 2017, Rn. 29, 132; Schriftsatz der Beigeladenen Reisert vom 13. August 2018, Rn. 268 a.E.; Musterklageerwiderung der Musterbeklagten zu 1) vom 28. Februar 2018, Rn. 573). Nach dem Verständnis des Senats ist diese Feststellung jedenfalls als Minus im oben genannten Feststellungsziel enthalten - wenn nicht das oben genannte Feststellungsziel ohnehin so zu verstehen ist, dass es sich auf die Herstellung von Dieselmotoren für marktgängige Fahrzeuge bezieht.

2. Zu dem oben genannten Feststellungsziel ist zwischen der Musterklägerin und der Musterbeklagten zu 1) unstreitig, dass die jeweiligen Bereichsleiter der Aggregateentwicklung der Musterbeklagten zu 1) in den Jahren 2009 bis 2015 Kenntnis davon hatten, dass die Musterbeklagte zu 1) entgegen früherer öffentlicher Verlautbarungen nicht in der Lage sein würde, Fahrzeuge mit Dieselmotoren herzustellen, die die in den USA jeweils geltenden NOx-Grenzwerte im obigen Sinne erfüllen.

Dabei geht der Senat davon aus, dass sich di...

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