Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerdebefugnis eines nicht sorgeberechtigten Elternteils gegen die Auswahl des Vormunds

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein nicht sorgeberechtigter Elternteil ist jedenfalls dann zur Beschwerde gegen die Auswahl und Bestellung des Vormunds berechtigt, wenn seinem bereits im Vorfeld des vorangegangenen Sorgerechtsentzugs unterbreiteten Vorschlag der Bestellung eines nahen Verwandten nicht gefolgt wurde.

2. Gemäß § 1778 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist bei der Vormundsauswahl auch der Wille eines nicht sorgeberechtigten Elternteils mit zu berücksichtigen.

3. Im Rahmen der Vormundsauswahl spielt der Kontinuitätsgrundsatz insbesondere dann eine gewichtige Rolle, wenn das Mündel bereits mehrere Beziehungsabbrüche erlebt hat. Zudem kann auch der Gesichtspunkt der Verhinderung einer Verunsicherung des Mündels durch widersprüchliche Darstellungen über den Grund der Inhaftierung seines Vaters zu berücksichtigen sein.

 

Normenkette

BGB § 1778 Abs. 2 Nr. 2, §§ 1779, 1782; FamFG § 59 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Helmstedt (Aktenzeichen 4 F 926/20)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Helmstedt vom 12.12.2022 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

3. Der Antrag des Kindesvaters auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft die Auswahl des Vormunds für die am 03.12.2019 geborene, derzeit dreijährige, Z. S.

Seit der Ermordung ihrer Mutter am 09.11.2020 lebt Z. bei ihren Großeltern mütterlicherseits, den Eheleuten K. Aufgrund der Festnahme ihres Vaters am 15.12.2020 wurde das Ruhen seiner elterlichen Sorge festgestellt und Herr K. zum Vormund für Z. bestellt. Durch einstweilige Anordnung vom 07.07.2021 zum Az. 4 F 434/21 EASO wurde dem Vater die elterliche Sorge sodann zunächst vorläufig entzogen, wobei Herr K. Vormund blieb. Mit Schreiben vom 21.10.2021 beantragte der Vater im vorliegenden Vormundschaftsverfahren die Bestellung seiner Schwester, Frau L., zum neuen Vormund für Z., da Herr K. aufgrund seines Alters nicht geeignet sei, Z. Betreuung dauerhaft zu übernehmen. Auch würden die Eheleute K. Z. ständig einer Trauerkulisse aussetzen und es bestehe die Befürchtung, dass sie schlecht über ihn und seine Familie sprechen würden. Diesen Antrag nahm der Vater unter dem 16.03.2022 wieder zurück, nachdem sich sowohl der für Z. bestellte Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt gegen eine Entlassung von Herrn K. als Vormund ausgesprochen hatten. Auf die Stellungnahme des Verfahrensbeistands vom 26.11.2021 und den Jugendamtsbericht vom 30.11.2021 wird wegen ihres Inhalts Bezug genommen.

Nach seiner am 20.04.2022 rechtskräftig gewordenen Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes durch das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 03.09.2021 wurde dem Vater mit Beschluss vom 30.08.2022 in dem vom Senat beigezogenen Verfahren zum Az. 4 F 865/20 SO die elterliche Sorge für Z. entzogen und eine Vormundschaft eingeleitet, wobei die Auswahl des Vormunds dem Rechtspfleger vorbehalten blieb. Zur Begründung hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, der Sorgerechtsentzug sei erforderlich, um Z. die bevorstehende Traumaverarbeitung wegen der Ermordung ihrer Mutter durch ihren Vater zu ermöglichen. Die Auswahl des Vormunds sei dem Rechtspfleger vorzubehalten, da vorab noch zu prüfen sei, ob gemäß dem in diesem Verfahren erstmals im Verhandlungstermin vom 22.08.2022 vorgebrachten Vorschlag des Vaters eine Bestellung seiner Schwester als Vormund in Betracht komme. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der Vater mit Schriftsatz vom 26.12.2022 zurückgenommen und mitgeteilt, sich nicht gegen den Sorgerechtsentzug, sondern lediglich gegen die zwischenzeitlich erfolgte Vormundsbestellung wenden zu wollen.

Im Vormundschaftsverfahren hat das Jugendamt des Landkreises Helmstedt mit Schreiben vom 06.10.2022 zur Auswahl des Vormunds Stellung genommen und sich für die Bestellung der Eheleute K. als Vormünder ausgesprochen. Es entspreche Z. Wohl, ihren Lebensmittelpunkt bei den Eheleuten K. beizubehalten, bei denen sie sich gut eingelebt habe und altersgerecht gefördert werde. Wenngleich Frau L. Z. sehr zugewandt sei, könne ein erneuter Wechsel der primären Bezugspersonen des Kindes nicht unterstützt werden. Zudem sei nicht abzusehen, ob Z. mit zunehmender Reife vermehrt ein Bedürfnis nach Abstand zu der Familie ihres Vaters entwickeln werde, dem eine Ausübung der Vormundschaft durch Frau L. entgegenstehen würde.

Das Amtsgericht hat sowohl die Eheleute K. als auch Frau L. persönlich angehört. Insoweit wird auf die Anhörungsvermerke vom 07.12.2022 Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12.12.2022 hat das Amtsgericht die Eheleute K. zu gemeinschaftlichen Vormündern für Z. bestellt. Diese seien uneingeschränkt zur Versorgung von Z. und zur Führung der Vormundschaft geeignet. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung hätten sie den Ein...

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