Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Umfang der gerichtlichen Aufklärungspflicht, wenn die ordnungsgemäße Funktion einer stationären Geschwindigkeitsmessanlage in Zweifel gezogen wird.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird die Geschwindigkeit mittels eines sog. standardisierten Messverfahrens (hier: TraffiStar S 330) festgestellt, ist das Gericht nicht gehalten, Beweisanträgen, die auf die Funktionsunfähigkeit der (hier: stationären) Geschwindigkeitsmessanlage abzielen, nachzugehen, wenn die ordnungsgemäße Funktion der Messanlage unter Aneinanderreihung physikalisch möglicher Störquellen ohne weiteren konkreten Vortrag lediglich angezweifelt wird.

2. Bei Messstellen, bei denen das Überwachungsgerät mit einem Wechselverkehrszeichen ("Schilderbrücke") verbunden ist (hier: BAB 2), genügt das sog. Schaltprotokoll zum Beleg, dass die fragliche Geschwindigkeitsbeschränkung im Zeitpunkt der Messung tatsächlich angezeigt war.

 

Normenkette

StPO § 244 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Helmstedt (Entscheidung vom 22.01.2013)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Helmstedt vom 22. Januar 2013 wird auf ihre Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Helmstedt hat die Betroffene mit Urteil vom 22. Januar 2013 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 48 km/h zu einer Geldbuße von 180 EUR verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr die schon zweifach wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung belangte Betroffene am 22. Mai 2012 um 13:17 Uhr mit einem Personenkraftwagen die mittlere von drei Fahrspuren der Bundesautobahn 2 in Fahrtrichtung Berlin. In Höhe Kilometer 158,587 war die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt durch entsprechende Schaltung der 162 Meter davor befindlichen Schilderbrücke auf 120 km/h begrenzt. Die Betroffene achtete nicht genügend auf die Begrenzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 168 km/h. Dabei ist ein im Eichschein vorgegebener Sicherheitsabschlag von 3% (= aufgerundet: 6 Km/h) bereits berücksichtigt.

Die Geschwindigkeit wurde durch eine Weg-/Zeitberechnung mittels in die Fahrbahnen eingebauter Drucksensoren festgestellt, wobei ein Überwachungsgerät "TRAFIIPAX TraffiStar S 330" zur Anwendung gelangte, das an das Wechselverkehrszeichen ("Schilderbrücke") angebunden ist.

Zur Funktionsweise dieser Anlage ist dem Senat aus der Vielzahl anderer, dieselbe Messstelle betreffender Bußgeldverfahren und dort eingeholter Sachverständigengutachten sowie durch Auskünfte der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt bekannt geworden:

In die Fahrbahn der BAB 2 sind an der Messstelle im Abstand von jeweils 1,0m drei druckempfindliche Messgeber (Sensoren) eingelassen, die beim Überfahren elektrische Impulse erzeugen, deren Zeit festgehalten wird. Dadurch wird die Zeitdifferenz festgestellt, die zwischen den drei Impulsen vergeht, also die Zeit gemessen, die das Fahrzeug für das Zurücklegen der jeweils 1,0m langen Strecken zwischen dem Sensor 1 und dem Sensor 2 und der 2,0m langen Strecke zwischen dem Sensor 1 und dem Sensor 3 benötigt hat. Nach der Gleichung Geschwindigkeit = Weg/Zeit werden sodann aus den Messwerten drei Geschwindigkeiten berechnet und der jeweils geringste Wert in das Messfoto eingeblendet. Der ordnungsgemäße Zustand sowie die richtige Funktion der Sensoren werden durch jährliche Eichungen überprüft.

Ob und ggf. welche zulässige Geschwindigkeit zum Messzeitpunkt an der Schilderbrücke angezeigt wurde, wird "in Echtzeit" (also ohne jeden Zeitverzug) in einem Messprotokoll festgehalten, wobei nicht der Einschaltimpuls protokolliert wird, sondern - nach Rückmeldung der Anlage - der tatsächlich angezeigte Wert. Durch sog. "Räumzeiten" ist dabei sichergestellt, dass Messungen unmittelbar nach Änderung der angezeigten zulässigen Höchstgeschwindigkeit unterbleiben.

Die Betroffene, die ihre Fahrereigenschaft eingeräumt hat, zweifelt die Ordnungsgemäßheit der Geschwindigkeitsmessung an und macht dazu insbesondere geltend, dass

- die Sensorenkabel nicht gültig geeicht gewesen seien,

- sich aus der Ermittlungsakte nicht ergebe, dass die Sensoren entsprechend der Bauartzulassung eingesetzt worden seien, insbesondere nicht erkennbar sei, dass sie sich "mit Kuppen jeweils überall über die Fahrbahnoberfläche erheben",

- Beschädigungen (und darauf beruhende Fehlfunktionen) der Sensorkabel aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens nicht ausgeschlossen werden können,

- es sich um einen "labilen Fahrbahnabschnitt" handele, so dass es aufgrund von Schwingungen (der Sensorkabel) zu Fehlmessungen gekommen sein kann,

- der Einbau von Trenntransformatoren nicht nachgewiesen sei, so dass auch Einflüsse des Stromnetzes ("unzulässig hohe Netzeinstreuungen") die Messergebnisse verfälscht haben können.

Mit der daran geknüpften Schlussfolgerung, dass die Messergebnisse im vorliegenden Fall nicht verwertbar seien, wendet sich die Betroffene gegen das Urteil des Amtsgeric...

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