Verfahrensgang

LG Braunschweig (Aktenzeichen 10 O 762/20)

 

Tenor

Das Verfahren wird in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO nach Anhörung beider Parteien im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 31. Januar 2022 - XI ZR 113/21, 144/21, 196/21, 215/21, 228/21, 279/21 und 304/21 - bis zur Entscheidung über das Vorlageersuchen ausgesetzt.

 

Gründe

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Klage nicht deshalb ungeachtet der von dem Bundesgerichtshof mit der Entscheidung vom 31. Januar 2022 formulierten Vorlagefragen abweisungsreif, weil der Beklagten gegen den der Klagepartei ggf. zustehenden Anspruch auf Rückgewähr der von ihr geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht zustünde, nachdem die Klagepartei der Beklagten kein hinreichend geeignetes wörtliches Angebot die Herausgabe des Fahrzeuges betreffend unterbreitet hätte (vgl. zum Leistungsverweigerungsrecht gem. § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 - juris Rn. 29; Urteil vom 25. Januar 2022 - XI ZR 559/20 - juris Rn. 15 ff.; Urteil vom 22. Februar 2022 - XI ZR 155/21 - juris Rn. 13 ff.).

Zwar hat der Kläger der Beklagten das gegenständliche Fahrzeug nicht tatsächlich im Sinne der § 357 Abs. 4 S. 1, § 294 BGB an ihrem Sitz angeboten oder es an diese abgesandt. Die Beklagte ist dennoch vorliegend mit der Entgegennahme des Fahrzeuges im Annahmeverzug. Daher steht das von der Beklagten geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht ihrer Verurteilung nicht von vornherein entgegen. Vielmehr ist es dem Kläger gem. § 322 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung grundsätzlich möglich, trotz Vorleistungspflicht auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung zu klagen.

Im Einzelnen:

Neben dem tatsächlichen Angebot vermag auch ein wörtliches Angebot unter den Voraussetzungen des § 295 BGB einen Annahmeverzug zu begründen. Danach genügt ein wörtliches Angebot des Schuldners, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat.

Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte die Annahme einer ordnungsgemäß angebotenen Leistung im Sinne des § 295 Satz 1 1. Alt. BGB verweigert hat. Denn die Beklage ist jedenfalls gem. §§ 293, 295 Satz 1 2. Alt, Satz 2 BGB in den Annahmeverzug geraten, indem sie der konkreten Aufforderung des Klägers, eine für die Leistungserbringung notwendige Mitwirkungshandlung zu erbringen, nicht nachgekommen ist. Eines (weiteren) wörtlichen Angebotes zur Leistungserbringung bedarf es insofern nicht (vgl. BeckOK/Lorenz, BGB, 65. Ed. 1.2.2023, § 295 Rn. 9), indes muss der Schuldner sich mit der Aufforderung zugleich bereit erklären, die seinerseits notwendigen Leistungen oder Handlungen vorzunehmen (vgl. Staudinger/Feldmann, BGB, Stand 2019, § 295 Rn. 20).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Der Kläger hat sich zur Bewirkung der Leistung, so wie sie von ihm zu erbringen ist, bereit erklärt.

Im Falle von § 357 Abs. 4 BGB schuldet der Verbraucher die (Rück-)Übereignung des Fahrzeuges an den Unternehmer (vgl. Staudinger/Herresthal, BGB, 2021, § 358 Rn. 204 c), wobei es sich dabei - wie bereits dargestellt - um eine Bring- oder Schickschuld handelt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19 -, Rn. 24, juris). Die Übereignung wiederum setzt gem. § 929 Satz 1 BGB voraus, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt, beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll und dem Übertragenden eine Verfügungsbefugnis zusteht.

Der Kläger hat der Beklagten das Fahrzeug spätestens im Schriftsatz vom 13. Juni 2022 unter Bezugnahme auf die Schreiben vom 10. März 2022 und 25. Mai 2022 unter Anerkennung seiner Vorleistungspflicht (vgl. Seite 3 des Schriftsatzes) wörtlich an ihrem Sitz angeboten und die Beklagte aufgefordert, "den möglichen Rückgabeort und die Rückgabezeit" mitzuteilen.

Dass es dem Kläger entsprechend der Ansicht der Beklagten an der Leistungsbereitschaft mangele und er das Fahrzeug aus rein verfahrenstaktischen Gründen angeboten habe, spiegelt sich in dem seitens des Klägers formulierten Angebot nicht wider. Insoweit handelt es sich um eine Mutmaßung der Beklagten. Anders als in dem von ihr zitierten Fall des Oberlandesgerichts Stuttgart (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 22. März 2022 - 6 U 79/19 -, Rn. 37, juris) hat sich der Kläger vorliegend uneingeschränkt bereit erklärt, die geschuldete Rückgabe des Fahrzeugs vorleistend zu erbringen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten erfordert ein ordnungsgemäßes Angebot - auch unter dem Blickwinkel der Einigung gem. § 929 Satz 1 BGB - nicht, dass gleichzeitig mit dem Herausgabeangebot Wertersatz und eine Nutzungsentschädigung geleistet werden muss. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 -, Rn. 85 mit...

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