Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzthaftung bei Einschaltung eines Laborarztes

 

Normenkette

BGB §§ 241, 249, 305

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 27.03.2001; Aktenzeichen 14 O 532/98)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.05.2003; Aktenzeichen VII ZR 143/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Endurteil des LG Würzburg vom 27.3.2001 in Ziff. 2 dahin abgeändert, dass die Verpflichtung des Beklagten zu 2) festgestellt wird, den Klägern die Hälfte desjenigen materiellen Schadens zu ersetzen, der ihnen durch die Geburt ihrer behinderten Tochter geb. im August 1993, entstanden ist und künftig entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

II. Die weitergehende Berufung der Kläger und die Berufung des Beklagten zu 2) werden zurückgewiesen.

III. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) haben die Klägerin zu 1) 52 % und der Kläger zu 2) 48 % nach Kopfteilen zu tragen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) haben die Klägerin zu 1) 27 % und der Kläger zu 2) 24 % zu tragen.

Der Beklagte zu 2) hat von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) 48 % und denen des Klägers zu 2) 50 % zu tragen.

Im Übrigen tragen die Parteien die außergerichtlichen Kosten selbst.

Von den Gerichtskosten haben die Klägerin zu 1) 30 %, der Kläger zu 2) 23 % und der Beklagte zu 2) 47 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in der nachfolgend genannten Höhe abwenden, wenn nicht jeweils die vollstreckende Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet:

der Beklagte zu 2) ggü. der Vollstreckung der Klägerin zu 1) i.H.v. 8.000 EUR,

der Beklagte zu 2) ggü. der Vollstreckung durch den Kläger zu 2) i.H.v. 6.500 EUR,

die Klägerin zu 1) bei Vollstreckung durch den Beklagten zu 2) i.H.v. 3.500 EUR,

der Kläger zu 2) bei Vollstreckung durch den Beklagten zu 2) i.H.v. 3.000 EUR,

die Klägerin zu 1) bei Vollstreckung durch den Beklagten zu 1) i.H.v. 5.000 EUR und

der Kläger zu 2) bei Vollstreckung durch den Beklagten zu 1) i.H.v. 4.500 EUR.

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eltern ihrer am 25.8.1993 geborenen Tochter, die von Geburt an geistig und körperlich schwerst behindert ist. Die Kläger halten die genetische Beratung durch den Beklagten zu 1) als Frauenarzt für falsch und ebenso die Beratung, durch den Beklagten zu 2) als Laborarzt ggü. dem von den Klägern beauftragten Hausarzt. Deswegen hätten die Kläger die erforderliche Fruchtwasseruntersuchung zur Feststellung einer Trisomie 21 bei ihrer Tochter unterlassen. Bei Durchführung der Fruchtwasseruntersuchung wäre die Trisomie 21 festgestellt worden und die Klägerin zu 1) hätte rechtzeitig die Schwangerschaft abbrechen lassen und das Kind wäre nicht geboren worden.

Die Kläger begehren deshalb die Feststellung, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihnen jeden materiellen Schaden zu ersetzen, der durch die Geburt der behinderten Tochter entstanden ist und noch entstehen wird, ferner begehren sie die Verurteilung der Beklagten zu einem angemessenen Schmerzensgeld.

Die am 7.1.1957 geborene Klägerin suchte im Alter von 36 Jahren am 29.4.1993 den Erstbeklagten, ihren Frauenarzt, in seiner Praxis auf, um sich über die Schwangerschaftsrisiken beraten zu lassen. Der Beklagte zu 1) klärte sie dahin auf, dass wegen ihres fortgeschrittenen Alters die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit einer Chromosomenanomalie zu bekommen, erhöht sei, und riet zu einer Fruchtwasseruntersuchung mit Hinweis darauf, dass hierdurch das Risiko eines vorzeitigen Abortes mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5–1 % bestehe. Die Klägerin lehnte wegen dieses Abortrisikos die Durchführung einer Amniozentese ab, obwohl der Beklagte zu 1) versuchte, sie von dieser ablehnenden Haltung abzubringen und sie von der Notwendigkeit dieser Untersuchung zu überzeugen. Am 29.4.1993 oder am nächsten Untersuchungstermin vom 24.5.1993 teilte die Klägerin zu 1) dem Beklagten zu 1) mit, sie habe von der Möglichkeit einer „Triple-Diagnostik” gehört.

Der Beklagte zu 1) erklärte der Klägerin zumindest, dass diese Untersuchungsmethode noch relativ neu und noch nicht ausgereift sei und sich noch in einem Erprobungsstadium befinde. Zwischen den Parteien ist der genaue Inhalt der Aufklärung insoweit durch den Beklagten zu 1) streitig. Der Beklagte zu 1) war schließlich bereit, den von der Klägerin genannten Beklagten zu 2), einen Würzburger Laborarzt, im Rahmen des Tripletestes mit den Laboruntersuchungen des abzunehmenden Blutes zu beauftragen. Am 24.5.1993 wurde der Klägerin zu 1) zu diesem Zweck in der Praxis des Beklagten zu 1) Blut für die Triple-Diagnostik abgenommen und in das Labor des Beklagten zu 2) gesandt. Die Klägerin zu 1) vereinbarte mit dem Beklagten zu 1), sie werde ihn am Mittwoch, dem 26.5.1993, an seinem letzten Arbeitstag vor seinem Urlaub, anrufen, um den Befund der Untersuchung zu erfragen.

Am 26.5.1993 rief die Klägerin beim ...

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