Entscheidungsstichwort (Thema)

"Vollinvalidität" in der Marktwertversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist Voraussetzung einer "Vollinvalidität" in der Marktwertversicherung allein das "vollkommene und vollständige physische Unvermögen der versicherten Person, ihre im Versicherungsvertrag festgehaltene berufliche Tätigkeit auszuüben", und erfordert dieses "Ausüben", dass die versicherte Person auch tatsächlich in der Lage ist, zu spielen oder zu trainieren, so begegnen die Angemessenheit und Wirksamkeit der hierfür in den Versicherungsbedingungen vorgesehenen 6 Monats-Frist keine Bedenken.

2. Die Leistungspflicht des Versicherers in der Marktwertversicherung knüpft ausschließlich an das Vorliegen einer "dauernden Vollinvalidität" an, was nach den hier streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen eine zwölfmonatige "Vollinvalidität" sowie eine Prognose fehlender Besserungsmöglichkeiten erfordert.

3. Eine zur Leistungsfreiheit des Versicherers führende grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung des Fußballvereins (Versicherungsnehmer) liegt bereits dann vor, wenn der Verein den Berufsfußballer nach dem erlittenen und angezeigten Unfall wieder im Trainings- und Spielbetrieb einsetzt und dies dem Versicherer ggü. auch anzeigt, obgleich die "Vollinvalidität" des Spielers fortdauert.

 

Normenkette

VVG a.F. § 6 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 22 O 1859/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 16.09.2009; Aktenzeichen IV ZR 246/08)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Würzburg vom 20.12.2007 - Az.: 22 O 1859/04 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Fußballverein, macht Ansprüche aus einer Marktwertversicherung geltend.

Von 2000 bis 2002 spielte die erste Fußballmannschaft des Klägers in der zweiten Bundesliga. Für seine Lizenzspieler hatte der Verein bei der Beklagten eine Marktwertversicherung abgeschlossen, mit der das finanzielle Risiko des Vereins bei unfallbedingter und dauernder Vollinvalidität der Spieler abgesichert wurde.

Dem Vertrag zugrunde lag das "Versicherungsbedingungswerk zur Berufssportlerversicherung (PAI 14/96)" (im Folgenden "VB").

Der nigerianische Lizenzspieler A., für den zwischen den Parteien eine Versicherungssumme von 1,5 Millionen DM (entspricht 766.937,82 EUR) vereinbart worden war, zog sich anlässlich eines am 29.9.2000 stattfindenden Punktspiels gegen R. eine vordere Kreuzbandruptur, einen Außenmeniskushinterhornriss sowie einen Knorpelaufbruch im linken Knie zu. Nach der Operation, die am 2.10.2000 in der X-Klinik von dem Arzt Dr. med. H., zugleich Mannschaftsarzt des Klägers, durchgeführt wurde, informierte der Kläger die Beklagte über die Verletzung und den längeren Ausfall des Lizenzspielers. Im Dezember 2000 und nochmals im Januar 2001 teilte der Kläger die Teilnahme des Lizenzspielers am Trainingsbetrieb sowie die Wiederaufnahme der Spielertätigkeit mit.

Tatsächlich nahm A. ab März 2001 am Training des Klägers wieder teil, in der folgenden Saison 2001/2002 wurde er im Zeitraum Dezember 2001 bis März 2002 in insgesamt 6 Punktspielen der 2. Bundesliga eingesetzt, in weiteren vier Spielen kam er als Ersatzspieler nicht zum Einsatz. Nach Saisonabschluss wechselte A. ablösefrei zu R., wo er jedoch kein Spiel mehr bestritt, da ihn der dortige Vereinsarzt nach einer Untersuchung noch im Juli 2002 für sportuntauglich erklärte.

Mit Schreiben vom 16.7.2002 zeigte der Kläger ggü. der Beklagten die dauernde Invalidität des Spielers A. an.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte zur Zahlung der für den Spieler A. vereinbarten Versicherungssumme verpflichtet ist. Zur Begründung hat er erstinstanzlich u.a. vorgetragen, die Verletzung, bei der es sich um die Folge eines Zweikampfes mit einem Gegenspieler gehandelt habe, sei auch nach der Operation zu keinem Zeitpunkt ausgeheilt gewesen. Die spätere Teilnahme des Lizenzspielers an Training und Punktspielen sei nur nach Schmerzbehandlung und Punktierung des Kniegelenks durch den Vereinsarzt Dr. E. möglich gewesen. Tatsächlich sei aufgrund des Unfalls vom 29.9.2000 eine dauernde Vollinvalidität des A. eingetreten.

Soweit § 1 Ziff. 1 der VB den Eintritt der Vollinvalidität "binnen 6 Monaten vom Unfalltag an" fordere, so sei diese Frist unangemessen kurz und somit unwirksam.

Auch der Umstand, dass der Lizenzspieler zum Saisonende 2001/2002 ablösefrei zu R. gewechselt sei, habe auf den klägerischen Anspruch keinen Einfluss, da es sich bei der streitgegenständlichen Versicherung um eine sog. Summenversicherung handle, die einen Schadenseintritt nicht erforderlich mache.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt...

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