Verfahrensgang

AG Bad Neustadt a.d. Saale (Beschluss vom 08.09.2000; Aktenzeichen 1 F 302/00)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Mutter … wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengerichts – Bad Neustadt a.d. Saale vom 8. September 2000 aufgehoben.

2. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind … geboren am … 1994, wird auf die Mutter … übertragen.

3. Die Kosten des Verfahrens haben die Eltern … und … je zur Hälfte zu tragen. Aussergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Verfahrensbeteiligten … und … sind die Eltern des am … 1994 geborenen Kindes … Die Eltern leben nicht nur vorübergehend getrennt. Beide Eltern beantragen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das gemeinschaftliche Kind jeweils auf sich.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 8.9.2000 das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater übertragen.

Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen diese Regelung des Teilbereichs der elterlichen Sorge hat die Mutter form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

Der Senat hat das Kind und die Eltern angehört und ein schriftliches Sachverständigengutachten erholt. Auf das psychologische Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. … vom 23.10.2001 wird Bezug genommen.

Die Beschwerde ist begründet und führt zur Übertragung des Aufenhaltsbestimmungsrechts für das Kind … auf die Mutter.

Voraussetzung eines Antrages auf Übertragung der elterlichen Sorge bzw. eines Teilbereichs davon ist, dass zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. des Teilbereichs und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB).

Kriterien für die Beurteilung des Kindeswohls sind der Kontinuitätsgrundsatz, das Förderungsprinzip, die gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes, der Wunsch des Kindes und eventuelle Geschwisterbindungen.

Unter Zugrundelegung der genannten Kriterien spricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimungsrechts auf die Mutter dem Wohl des Kindes … am besten.

Der Sachverständige Prof. Dr. … hat die für die getroffene Regelung gegebenen Gründe umfangreich, sorgfältig und nachvollziehbar dargelegt.

Für die Mutter sprechen zunächst die Gefühlslage bei dem Kind … als auch sein Wunsch. … braucht die Mutter als Hauptbezugsperson als auch als die Person, vor der er keine Angst hat, da dort seine Wünsche aufgenommen werden und diesen entsprochen wird. … hat beim Sachverständigen deutlich den Wunsch geäußert, bei der Mutter zu leben und den Vater zu besuchen. Dieser Wunsch des Kindes ist nach der Aussage des Sachverständigen sehr ernst zu nehmen. Hinzu kommt die gewachsene positive Beziehung zwischen Mutter und Kind, wobei die Mutter für … die in der Vergangenheit stabilste und verlässlichste Person war. Die Mutter, ist auch eher in der Lage, auf die Bedürfnisse einzugehen und hat die größere Sensibilität für die Problemsituation gezeigt.

Als weiteres wesentliches Moment kommt der Kontakt … zu seiner Halbschwester als einer wichtigen sozialen Bindung hinzu. Bei der Mutter kann … im Geschwisterverband mit … eine wichtige soziale Erfahrung mit einem altersähnlichen Menschen machen. Weiter hat sich gezeigt, dass die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für durch den Vater sich nicht bewährt hat.

Demgegenüber fällt die positive emotionale Bindung zwischen Vater und … nicht sehr ins Gewicht, zumal ihr durch einen wünschenswerten umfangreichen Umgangskontakt Rechnung getragen werden kann. Auch weist der Vater eine geringe Fähigkeit auf, das Verhalten zu verstehen und dieses kritisch reflektieren zu können. Hinzu kommt eine stark dominierende und beeinflussende Haltung der Großmutter auf Vaterseite hinzu, die ganz offensichtlich nicht ohne Probleme für … ist.

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter hat zwar zur Folge, dass … seine gewohnte Wohnumgebung, die für ihn erkennbar positive Aspekte hat, verliert. Aber auch dieser Problematik, der gegenüber den für den Aufenthalt bei der Mutter sprechenden Umständen kein überwiegendes Gewicht zukommt, kann durch eine großzügige Umgangsregelung abgeholfen werden. Der nach Erlass der Entscheidung eingegangene Schriftsatz des neuen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners vom 27.11.01 ergibt keine Verlassung, mit der Entscheidung zuzuwarten. Der Vater hat innerhalb der bis zum 26.11.2001 gesetzten Frist keine Stellungnahme abgegeben. Der Schriftsatz vom 27.11.01 enthält keine Ausführungen zum Sachverständigengutachten. Ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung lässt sich mit dem Kindeswohl nicht mehr vereinbaren, nachdem der Gutachter ausdrücklich auf die erforderliche psychotherapeutische Hilfe hingewiesen hat, die voraussetzt, dass bei dem Kind … endlich klare und eindeutige Verhältnisse in seinem Umfeld eintreten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der weiteren Beschwerde liegen nicht vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1494349

EzFamR aktuell 2002, 165

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