Entscheidungsstichwort (Thema)

Untersuchungshaft. Jugendlicher. Haftbefehl. Beschwerde. Haftbeschwerde. Haftprüfung. Haftvorlage. Haftprüfungsverfahren. Unterbringung. Heim. Jugendhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Aus dem Regelungszusammenhang der §§ 71 Abs. 2 Satz 2 und § 72 Abs. 4 JGG und ihrer spezifisch jugendrechtlichen Zweckrichtung ergibt sich, dass das für die Untersuchungshaft geltende Haftprüfungsverfahren nach den §§121, 122 StPO nicht für die einstweilige Unterbringung Jugendlicher in geeigneten Heimen der Jugendhilfe Anwendung findet (u.a. Anschluss an OLG Naumburg, Beschluss vom 07.05.2001 -HEs 16/01 [bei [...]] = JMBI LSA 2001, 277). Dies gilt auch dann, wenn die Anordnung der einstweiligen Unterbringung des Jugendlichen nach § 72 Abs. 4 Satz 1 JGG gerade der Vermeidung von ansonsten anzuordnender Untersuchungshaft dient.

 

Normenkette

StPO § 121; JGG § 72 Abs. 4; StPO §§ 112, 116 Abs. 1, § 122; JGG § 71 Abs. 2

 

Tenor

  1. Es wird festgestellt, dass es einer Entscheidung des Senats über die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung der Angeschuldigten H. und E. nicht bedarf.
  2. Die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeschuldigten L. wird angeordnet.
  3. Die weitere Haftprüfung wird für die Zeit bis zum 22.09.2015 dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht übertragen.
  4. Termin zur erneuten Prüfung der Voraussetzungen des § 121 StPO wird bestimmt auf 23.09.2015.
 

Gründe

I.

Der Angeschuldigte H. wurde in dieser Sache am 05.12.2014 vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters am Amtsgericht vom 06.12.2014, dem Angeschuldigten H. eröffnet am selben Tage, zunächst in Untersuchungshaft. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 15.12.2014 wurde mit Wirkung vom 18.12.2014 die einstweilige Unterbringung des Angeschuldigten im Berufsbildungswerk St. T. in B. angeordnet. Seitdem befindet sich der Angeschuldigte dortselbst. Der Angeschuldigte E. wurde in dieser Sache am 06.12.2014 vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters vom 06.12.2014, dem Angeschuldigten eröffnet am selben Tage, zunächst in Untersuchungshaft. Mit Beschluss des Ermittlungsrichters vom 15.12.2014 wurde mit Wirkung vom 18.12.2014 die einstweilige Unterbringung des Angeschuldigten im Pädagogisch-Therapeutischem Zentrum G. in V. angeordnet. Seitdem befindet sich der Angeschuldigte dortselbst. Die Untersuchungshaft des am 06.12.2014 vorläufig festgenommenen Angeschuldigten L. beruht auf dem Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 06.12.2014, dem Angeschuldigten eröffnet am selben Tage, und wird seitdem ununterbrochen vollzogen. Der Haftbefehl wurde erweitert und neu gefasst durch Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 16.12.2014, dem Angeschuldigten eröffnet am 18.12.2014.

Der Senat war insoweit bereits mit der Sache befasst, als er mit Beschluss vom 28.01.2015 eine weitere Haftbeschwerde des Angeschuldigten L. gegen den Beschluss der Jugendkammer vom 30.12.2014, mit welchem seine Beschwerde gegen den Haftbefehl des Ermittlungsrichters vom 16.12.2014 verworfen worden war, seinerseits verworfen hat. Auf den vorgenannten Senatsbeschluss wird Bezug genommen.

Da in dieser Sache bisher allerdings keine der in § 121 Abs. 1 StPO genannten Entscheidungen ergangen ist, hat das Landgericht, das die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung und der Untersuchungshaft für erforderlich hält, die Akten dem Senat zur Entscheidung über die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung und der Untersuchungshaft gemäß § 122 Abs. 1 StPO vorgelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,

die Fortdauer der Untersuchungshaft des Angeschuldigten L. anzuordnen und für die Dauer von 3 Monaten die weitere Haftprüfung dem nach den allgemeinen Vorschriften dafür zuständigen Gericht zu übertragen.

Mit weiterer Verfügung vom 05.06.2015 hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt, dass eine Entscheidung des Senats über die Fortdauer der Unterbringung der Angeschuldigten H. und E. gemäß §§121, 122 StPO nicht veranlasst sei. Die übrigen Verfahrensbeteiligten hatten hierzu jeweils rechtliches Gehör.

II.

Einer Entscheidung des Senats über die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung der Angeschuldigten H. und E. bedarf es nicht. Das Haftprüfungsverfahren nach §§ 121, 122 StPO gilt nicht für die Unterbringung Jugendlicher nach §§ 71 Abs. 2, 72 Abs. 4 JGG. Das ergibt sich schon daraus, dass nach § 71 Abs. 2 Satz 2 JGG - auf den sich auch § 72 Abs. 4 JGG bezieht - hinsichtlich der einstweiligen Unterbringung von Jugendlichen zwar die Vorschriften über das Verfahren der Untersuchungshaft teilweise für sinngemäß anwendbar erklärt werden, dabei aber die §§121, 122 StPO über die Haftprüfung vor dem Oberlandesgericht gerade nicht erwähnt werden. Dies rechtfertigt den Schluss, dass der Gesetzgeber das Verfahren über die einstweilige Unterbringung Jugendlicher von dem Haftprüfungsverfahren vor dem Oberlandesgericht hat ausnehmen wollen. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der Sondervorschriften des JGG über die einstwei...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge