Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Der Legaldefinition des § 1 I Nr. 4 JuSchG sind keine besonderen subjektiven Anforderungen an die Geeignetheit und Qualität der "erziehungsbeauftragten Person" zu entnehmen. Insbesondere ist ein besonderes Autoritätsverhältnis der beauftragten Person gegenüber dem Minderjährigen von einiger Dauer nicht gefordert (im Anschluss an OLG Nürnberg NStZ 2007, 43).

  • 2.

    Für eine wirksame Erziehungsbeauftragung i.S.d. § 1 I Nr. 4 JuSchG ist neben einem Mindestalter von 18 Jahren eine wirksame Vereinbarung des Personensorgeberechtigten mit der erziehungsbeauftragten Person sowie eine tatsächliche Wahrnehmung der Aufsichtspflichten durch den Beauftragten erforderlich. Daran fehlt es bei Blanko-Vordrucken oder dann, wenn die beauftragte Person abwesend oder in Folge Alkohol- oder Drogenkonsums objektiv nicht mehr in der Lage ist, die vereinbarten Aufsichtspflichten zu übernehmen.

  • 3.

    Dem Veranstalter und Gewerbetreibenden obliegen nach § 2 I 2 JuSchG Prüfungspflichten hinsichtlich der Berechtigung der erziehungsbeauftragten Person in Zweifelsfällen. Diese können sich im Blick auf das Alter der erziehungsbeauftragten Person, das Vorliegen einer wirksamen Beauftragung und die tatsächlichen Ausübung der Aufsichtspflichten ergeben. Eine vorwerfbare Nichtbeachtung dieser Prüfungspflichten kann selbst als Ordnungswidrigkeit gemäß § 28 I Nr. 6 JuSchG geahndet werden.

 

Tatbestand

Dem Betr. lag nach dem Geldbußen über 1.000 und 1.500 Euro verhängenden Bußgeldbescheid zur Last, es als Verantwortlicher für die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes in seiner Diskothek zugelassen zu haben, dass sich dort am 15.09.2007 gegen 1.00 Uhr 40 Jugendliche und am 22.09.2007 gegen 1.00 Uhr 17 Jugendliche jeweils im Alter zwischen 16 und 18 Jahren aufhielten, ohne dass diese Jugendlichen in Begleitung einer erziehungsbeauftragten Person waren. Die gegen den Freispruch des Betr. vom Tatvorwurf zweier Ordnungswidrigkeiten nach § 28 I Nr. 6 JuSchG gerichtete Rechtsbeschwerde der StA erwies sich als teilweise erfolgreich.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der StA hat in der Sache Erfolg, soweit der Betr. vom Vorwurf einer am 15.09.2007 begangenen Ordnungswidrigkeit nach § 5 I i.V.m. § 28 I Nr. 6 JuSchG aus tatsächlichen Gründen freigesprochen wurde. Unabhängig von der Frage einer wirksamen Erziehungsbeauftragung und der Erfüllung von Darlegungs- und Prüfungspflichten sind die Erwägungen des AG zum subjektiven Tatbestand der Ordnungswidrigkeit lückenhaft und damit rechtsfehlerhaft.

1.

Das AG stellt u.a. fest:

"Der Betr. räumt ein, zum Tatzeitpunkt Verantwortlicher für die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes gewesen zu sein und als solcher zum Tatzeitpunkt dessen Bestimmungen sehr genau beachtet zu haben. Security-Mitarbeiter seien beauftragt gewesen, die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu überwachen. Es wäre auch ihre Aufgabe gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass sich jeweils nach 24.00 Uhr Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren, die nicht in Begleitung einer erziehungsbeauftragten Person waren, nicht mehr in der Diskothek aufhielten. Zu diesem Zweck würde eine sehr strenge Eingangskontrolle durchgeführt werden. Der Betr. gab an, die Eingangskontrolle auch selbst mit überwacht zu haben. Unter 18-jährige Personen würden ein besonders gekennzeichnetes Armbändchen bekommen und außerdem noch einen Stempel mit wasserfester Farbe auf die Hand, so dass relativ leicht überprüft werden könne, ob diese Personen unter 18 Jahre alt sind. Der Betr. räumt ein, dass sich am 15.9.2007 gegen 1.00 Uhr 4 Jugendliche ohne Begleitung einer erziehungsbeauftragten Person in der Diskothek aufgehalten hätten. Dafür übernehme er die Verantwortung. Allerdings müssten diese 4 Jugendlichen trotz der eingehenden Kontrollen an der Tür ,durchgerutscht' sein, was auf Grund der hohen Besucherzahlen nicht immer völlig ausgeschlossen werden könne. Die beiden als Zeugen vernommenen Polizeibeamten bestätigten die Ausführungen des Betr. hinsichtlich des äußeren Sachverhalts. Sie gaben jeweils an, dass sich zu den beiden Tatzeitpunkten ihrer Einschätzung nach ca. 400 Personen als Gäste in der Diskothek aufgehalten haben dürften. Der Zeuge R. war verantwortlicher Polizeibeamter für die Kontrolle am 15.09.2007. Nach seinen Feststellungen hielten sich zum Kontrollzeitpunkt gegen 1.00 Uhr 40 Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren in der Diskothek auf, wovon 4 Jugendliche völlig allein in der Diskothek waren, während 36 Jugendliche in Begleitung erziehungsbeauftragter Personen waren."

2.

Trotz dieser Feststellungen sah sich das AG nicht in der Lage, den Betr. wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 I Nr. 6 i.V.m. § 5 I JuSchG schuldig zu sprechen. Das AG führt insoweit u.a. aus:

"Hinsichtlich dieser vier genannten Personen liegt somit ein Verstoß gegen § 5 I JuSchG vor. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes diesbezüglich dem Betr. nicht einmal fahrlässiges Ve...

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