Rz. 222

Die Wirkungen einer Ehescheidung sind nach dem Ehewirkungsstatut (Rdn 76 ff.) im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen (§ 20 i.V.m. § 18 IPRG). Als Scheidungszeitpunkt gilt der Schluss der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz.[342] Zu beachten ist allerdings, dass etliche Scheidungsfolgen gesondert anzuknüpfen sind, wie namensrechtliche Folgen nach § 13 IPRG, nachehelicher Unterhalt nach dem Haager Unterhaltsprotokoll (HUntProt)[343] sowie güterrechtliche Folgen auch nach § 19 IPRG bzw. der EUGüVO.[344]

 

Rz. 223

Ob auf die nacheheliche Vermögensaufteilung § 19 oder § 20 IPRG anzuwenden ist, ist strittig: Die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse wird von der Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich angeknüpft. Nach überw. älterer Lehre fällt die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse nach § 81 EheG oder eines sonstigen Zugewinns nicht unter das Scheidungsstatut des § 20 IPRG, sondern wird güterrechtlich qualifiziert und unterliegt somit primär der Rechtswahl der Ehegatten;[345] mangels einer Rechtswahl kommt das zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebliche Recht zur Anwendung (Verweis in § 19 IPRG auf § 18 IPRG; siehe hierzu Rdn 76 ff.). Abweichend davon gibt die Rechtsprechung seit dem Jahr 2000 allerdings der Subsumtion der gesamten nachehelichen Vermögensaufteilung (somit der Verteilung der Ehewohnung, des ehelichen Gebrauchsvermögens und der Aufteilung der ehelichen Ersparnisse) unter § 20 IPRG (Scheidungsstatut) den Vorzug, womit auch eine Rechtswahl der Ehegatten hinfällig ist (vgl. Rdn 82).[346]

 

Rz. 224

Seit dem 29.1.2019 gilt für das eheliche Güterrecht und für alle Fragen zu den ehelichen Güterständen, somit auch für Fragen der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei Scheidung, die EUGüVO. Sie ist nach Art. 69 Abs. 3 EUGüVO nur für Ehegatten, die ab dem 29.1.2019 geheiratet haben oder (bei früheren Ehen) ab diesem Zeitpunkt eine Rechtswahl getroffen haben, anzuwenden. Aus Art. 5 und Art. 27 EUGüVO ergibt sich, dass die nacheheliche Vermögensaufteilung dem sachlichen Anwendungsbereich der EUGüVO unterliegt.[347]

 

Rz. 225

Gesondert anzuknüpfen sind neben den erbrechtlichen Wirkungen (EuErbVO)[348] auch die Regelungen der elterlichen Obsorge nach der Scheidung. Primär ergibt sich das auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht aus dem Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ).[349] Vorbehaltlich solcher staatsvertraglicher Sonderregelungen, wie insbesondere des KSÜ und des Haager Unterhaltsprotokolls,[350] die gegenüber dem autonomen IPRG Vorrang haben, sind die Wirkungen der Ehelichkeit und der Legitimation eines Kindes – dazu zählt insbesondere die Regelung der elterlichen Obsorge – wandelbar nach dem jeweiligen Personalstatut des Kindes zu beurteilen (§ 24 IPRG). Getrennt anzuknüpfen sind wiederum die Auswirkungen der Ehescheidung auf den Kindesnamen (§ 13 IPRG).[351]

 

Rz. 226

Öffentlich-rechtliche Renten- und Versorgungsansprüche, wie etwa auf Witwenpension, unterliegen nicht dem Scheidungsstatut; diese entbehren einerseits eines privatrechtlichen Charakters und andererseits würde die Anwendung des einschlägigen fremden Rechts für den heimischen Richter mit großen Schwierigkeiten verbunden sein.[352]

[342] St. Rspr., OGH 3 Ob 564/95, SZ 68/182; OGH 7 Ob 173/00t, ZfRV 2002, 235. Siehe auch RIS-Justiz RS0077279.
[343] Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht. Österreichische Gerichte haben seit dem 18.6.2011 das Kollisionsrecht nach dem HUntProt zu beurteilen. Siehe dazu Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 10.44 ff. Zwischen Österreich und bestimmten Staaten kommt noch das Haager Unterhaltsstatutübereinkommen 1956 zur Anwendung. Vgl. Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 10.88 ff.
[344] Lurger/Melcher, Internationales Privatrecht, Rn 2/64.
[345] Verschraegen in: Rummel, II/6, § 20 IPRG Rn 3 m.w.N.; Schwimann, IPR, S. 155. Siehe aber auch Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 04.35, die einer Anknüpfung nach § 19 IPRG den Vorzug geben.
[346] Siehe dazu ausführlich mit einem Überblick zur aktuellen Rspr. Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 04.34. Siehe auch Lurger/Melcher, Internationales Privatrecht, Rn 2/54.
[347] Neumayr in: KBB, § 19 IPRG Rn 5 m.w.N.
[348] Verordnung (EU) Nr. 650/2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, ABl 2012 L 201/107.
[349] Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996, BGBl III 2011/49 i.d.F. BGBl III 2017/203 (Haager Kinderschutzübereinkommen). Siehe dazu Lurger/Melcher, Internationales Privatrecht, Rn 2/101 ff.; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Fa...

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