Rz. 40

Es sind drei Arten von Unterhaltsansprüchen zu unterscheiden (vgl. § 94 Abs. 2 ABGB): der Unterhaltsanspruch des haushaltsführenden Ehegatten, der Unterhaltsanspruch des einkommensschwächeren Ehegatten und schließlich der Unterhaltsanspruch des beitragsunfähigen Ehegatten.

 

Rz. 41

Bei der Festlegung der Unterhaltshöhe ist jeweils vom Unterhalt auszugehen, der den ehelichen Lebensverhältnissen angemessen ist (§ 94 Abs. 1 ABGB); sie richtet sich sowohl nach der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten als auch nach den Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten. Für die Angemessenheit der Bedürfnisse ist die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausschlaggebend; Einkommen, Vermögen, Gesundheitszustand der Gatten sowie weitere Sorgepflichten sind zu berücksichtigen.[67] Die Judikatur hat für die Bemessungskriterien richtlinienartige Prozentsätze als Orientierungshilfe entwickelt:[68] Dem haushaltsführenden Ehegatten, der kein Einkommen hat und seinen Beitrag i.S.d. § 94 Abs. 1 ABGB durch Führung des Haushalts leistet (§ 94 Abs. 2 S. 1 HS. 1 ABGB), stehen 33 % vom Nettoeinkommen des anderen Ehegatten zu. Ist dieser auch anderen Personen (z.B. Kindern, früheren Ehegatten) unterhaltspflichtig, so werden Prozentpunkte abgezogen (z.B. pro Kind 3–4 %). Verfügt der haushaltsführende Ehegatte über eigene Einkünfte (etwa ein Honorar für gelegentliche Näharbeiten, Nachhilfestunden, wissenschaftliche Tätigkeiten), sind diese nach dem Gesetz lediglich angemessen zu berücksichtigen und nicht voll anzurechnen (§ 94 Abs. 2 S. 1 HS. 2 ABGB).

 

Rz. 42

Verfügen beide Ehegatten über ein Einkommen und ist das Einkommen eines Ehegatten wesentlich geringer als jenes des anderen, so steht dem einkommensschwächeren Ehegatten ein Ergänzungsanspruch bis zur Höhe des angemessenen Unterhalts gegen den anderen zu, den die Judikatur auf § 94 Abs. 2 S. 3 ABGB stützt. Der Orientierungswert für diesen Ergänzungsanspruch beträgt 40 % des Gesamtnettoeinkommens beider Ehegatten, abzüglich des eigenen Einkommens des einkommensschwächeren Ehegatten.[69] Weitere Unterhaltspflichten werden auch hier durch prozentuelle Abstriche berücksichtigt. Führt allerdings die Anwendung der in Rdn 41 erörterten 33 %-Regel zu einem niedrigeren Unterhalt, so steht nur dieser Betrag zu; eigene Einkünfte sind dann nicht abzuziehen.[70]

 

Rz. 43

Ein in der Praxis sehr häufig anzutreffender Sonderfall ist, dass ein voll berufstätiger Ehegatte neben seiner Erwerbstätigkeit den gesamten Haushalt alleine führt – in den meisten Fällen betrifft dies die Frau. Die Rechtsprechung erkennt bei dieser Variante – trotz kritischer Äußerungen im Schrifttum[71] – dem haushaltsführenden vollbeschäftigten Ehegatten aber lediglich einen Ergänzungsanspruch gegen den besser verdienenden Ehegatten zu.[72]

 

Rz. 44

Kann ein Ehegatte z.B. aus Krankheitsgründen gar keinen Beitrag leisten, vermag er also weder, ein Einkommen zu erzielen, noch den Haushalt zu führen, so steht ihm ebenfalls ein Unterhaltsanspruch nach § 94 Abs. 2 S. 3 ABGB gegen den anderen zu. Die Höhe dieses Unterhaltsanspruchs orientiert sich am Haushaltsführerunterhalt, beträgt also grundsätzlich 33 % des Nettoeinkommens des verpflichteten Gatten.[73]

 

Rz. 45

Als Bemessungsgrundlage dient das Jahresnettoeinkommen; auch verschiedene Sozialleistungen, wie z.B. Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Renten, Wochengeld, Karenzgeld, Kinderbetreuungsgeld und Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung, zählen zum maßgeblichen Einkommen, ebenso wie Lohnsteuerrückvergütungen und die Ausgleichszulage. Kein Einkommensbestandteil ist die Familienbeihilfe.[74] Bei Selbstständigen bestimmt sich das maßgebliche Gesamteinkommen nach dem wirtschaftlichen Reingewinn des letzten steuerlich abgeschlossenen Wirtschaftsjahres bzw. aus dem Durchschnittseinkommen der letzten drei Jahre.[75]

[67] Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 94 ABGB Rn 7.
[68] Siehe dazu ausführlich Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 94 ABGB Rn 16 f.
[69] M.w.N. Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 94 ABGB Rn 20.
[70] OGH 2 Ob 584/91, ÖA 1992, 159; OGH 8 Ob 595/93, EFSlg 70.622; OGH 9 Ob 87/99f, EFSlg 88.880; OGH 6 Ob 22/02g, EFSlg 99.185; OGH 8 Ob 38/09k, EFSlg 122.531; OGH 4 Ob 42/10w, EFSlg 126.081; OGH 7 Ob 80/13k, EFSlg 138.958; OGH 2 Ob 185/14s, iFamZ 2015/193 (Deixler-Hübner); zuletzt OGH 3 Ob 127/19a; RIS-Justiz RS0057433.
[71] Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 94 ABGB Rn 12 f., 18 m.w.N.
[72] OGH 6 Ob 679/77, SZ 50/108, 128; OGH 5 Ob 505/91, RZ 1992, 263/87; OGH 8 Ob 598/93, ÖA 1995, 123; OGH 7 Ob 321/01h, EFSlg 99.178; OGH 4 Ob 17/12x, EF-Z 2012/136 (Gitschthaler); OGH 10 Ob 7/14y, EF-Z 2014/110, 175 (Gitschthaler); RIS-Justiz RS0009749.
[73] Siehe näher Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 94 ABGB Rn 23.
[74] St. Rspr., OGH 6 Ob 1577/91, EFSlg 64.921; OGH 10 Ob 35/04a, EFSlg 106.948; LGZ Wien 45 R 574/01x, EFSlg 95.254; LGZ Wien 44 R 138/07f, EFSlg 116.240 u.a. Siehe auch RIS-Justiz RS0107262.
[75] Nachweise bei Ferrari in: Schwimann/Kodek, I, § 94 ABGB Rn 43.

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