Rz. 46

Zum Kreis der potentiell Pflichtteilsberechtigten gehören grundsätzlich alle Nachkommen und der Ehepartner oder eingetragene Partner. Im Einzelfall sind aber nur jene Personen konkret pflichtteilsberechtigt, die bei Fehlen eines Testaments tatsächlich aufgrund des Gesetzes zu Erben berufen wären, nicht enterbt wurden und auch nicht auf den Pflichtteil verzichtet haben. Enkelkinder sind somit nicht pflichtteilsberechtigt, solange das Kind, das sie repräsentieren, als Erbe in Betracht kommt. Der Verzicht auf den Pflichtteil und die Ausschlagung der Erbschaft erstrecken sich im Zweifel auch auf die Repräsentanten.

 

Rz. 47

Mit dem ErbRÄG 2015 wurde das Pflichtteilsrecht der Vorfahren (Eltern, Großeltern, Geschwister) des Verstorbenen beseitigt, dennoch sind sie als gesetzliche Erben bei der Ermittlung der Pflichtteile zu berücksichtigen.

 

Rz. 48

Der Pflichtteil kann in Geld, als Zuwendung auf den Todesfall (§ 780 ABGB) oder als Schenkung unter Lebenden (§ 781 ABGB) hinterlassen werden. Der Zuwendung oder Schenkung anhaftende Bedingungen und Belastungen, die der Verwertung des Vermögens entgegenstehen, ändern nichts an der Eignung zur Deckung des Pflichtteils. Sie sind allerdings bei der Bewertung der Zuwendung oder Schenkung zu berücksichtigen. Der Pflichtteilsberechtigte kann Auflagen, Vermächtnisse, Befristungen, Belastungs- und Veräußerungsverbote oder eine Nacherbschaft nicht mehr anfechten.[23] Ist der Pflichtteil nicht durch Zuwendungen oder Schenkungen gedeckt, steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Geldanspruch bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu (§ 763 ABGB).

 

Rz. 49

Um eine Ungleichbehandlung zwischen den Pflichtteilsberechtigten zu verhindern und die Testierfreiheit des Verstorbenen zu vergrößern, müssen sich auf Verlangen eines Erben oder Pflichtteilsberechtigten andere Pflichtteilsberechtigte bestimmte Zuwendungen auf den Pflichtteil anrechnen lassen.

 

Rz. 50

Als Pflichtteil gewährt das Gesetz jedem Nachkommen und dem Ehepartner die Hälfte dessen, was ihm nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre. Ein Pflichtteilsverzicht oder eine Ausschlagung der Erbschaft eines potentiell Pflichtteilsberechtigten erhöht im Zweifel nicht die Pflichtteile der anderen. Vorverstorbene, erbunwürdige, enterbte oder pflichtteilsgeminderte Pflichtteilsberechtigte werden bei der Pflichtteilsermittlung nicht mitgezählt und erhöhen somit die Pflichtteile der anderen (§ 760 ABGB).

 

Rz. 51

Der Pflichtteil gebührt vom Wert des Verlassenschaftsvermögens, d.h. von den aktiven Vermögenswerten des Verstorbenen, vermindert um die Schulden des Verstorbenen und die Erbgangschulden (Begräbniskosten, Gebühren des Gerichtskommissärs, der Sachverständigen für die Schätzung des Verlassenschaftsvermögens, des Verlassenschaftskurators, der Gerichtsgebühren etc.). Die Kosten der Verwaltung der Verlassenschaft einschließlich der Kosten des Rechtsvertreters der mit der Verwaltung der Verlassenschaft betrauten Erben (z.B. für die Vertretung im Steuerverfahren) können bei der Pflichtteilsberechnung ebenfalls als Verlassenschaftspassiva berücksichtigt werden.[24] Bei der Berechnung des Pflichtteils sind die im Ausland gelegenen Vermögensgüter einzubeziehen.[25]

 

Rz. 52

Zeitpunkt der Wertermittlung ist der Todestag.

 

Rz. 53

Der Pflichtteil entsteht mit dem Tod des Verstorbenen und wird i.d.R. ein Jahr nach dessen Tod fällig. Durch das ErbRÄG 2015 wurde die Möglichkeit der Pflichtteilsstundung oder einer Ratenzahlung durch letztwillige Verfügung des Verstorbenen oder auf Antrag des Pflichtteilsschuldners eingeführt.[26]

[23] ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 25.
[24] OGH 3.10.1967, 8 Ob 234/67; OGH 23.1.1968, 8 Ob 358/67; OGH 14.4.1999, 7 Ob 158/98f.
[25] OGH 27.5.1986, 2 Ob 526/86.
[26] Brandstätter, ecolex 2016, 461.

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