Leitsatz

Die Frage, ob Mobilfunksendeanlagen als Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO 1990 einzustufen sind, ist von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - BVerfg, Beschl. v. 24.01.2007, Az.: 1 BvR 384/05.

 

Fakten:

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines H ausgrundstücks in der unmittelbaren Nachbarschaft einer am 12.06.2002 baurechtlich genehmigten Mobilfunksendeanlage. Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Baugenehmigung erhob der ursprüngliche Beschwerdeführer Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen. Diese wurde mit Urteil vom 08.09.2003 (Az.: 1 E 1173/03) unter Hinweis auf die Möglichkeit einer Befreiung nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB abgewiesen. Die Berufung wurde nicht zugelassen. Auch der daraufhin beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingelegte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgewiesen. Zur Begründung führte der Hessische Verwaltungsgerichtshof aus, dass es sich bei der Mobilfunkanlage um eine ausnahmsweise zulässige fernmeldetechnische Nebenanlage i.S.v. § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO 1990 handle und deswegen keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden. Andere Gründe für die Zulässigkeit der Berufung, insbesondere eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hätten die Beschwerdeführer nicht dargelegt. Gegen die Entscheidung der Nichtzulassung erhob der ursprüngliche Beschwerdeführer nach erfolgloser Gehörsrüge Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde insoweit statt, als die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs den Beschwerdeführer in seinem Recht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4. S. 1 GG) verletzt habe. Zwar begegne es grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn das Berufungsgericht bei der Überprüfung des angefochtenen Urteils auf ernstliche Zweifel an seiner Richtigkeit seine Entscheidung auf andere rechtliche Erwägungen (in einem Wohngebiet ausnahmsweise zulässige fernmeldetechnische Anlage) abstelle als das Verwaltungsgericht (Befreiung nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB). Allerdings sei die Frage, ob es sich bei der Mobilfunkanlage um eine in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässige fernmeldetechnische Anlage im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO 1990 handle, von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Diese Frage sei bisher für den § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO 1990 höchstrichterlich noch nicht entschieden worden. Hinsichtlich der Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass diese vom Beschwerdeführer lediglich hinsichtlich der tragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils erwartet werden konnte, nicht jedoch hinsichtlich der vom Verwaltungsgerichtshof ohne vorherigen Hinweis neu eingeführten Gründe zur Stützung des verwaltungsgerichtlichen Urteils.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG, Beschluss vom 24.01.2007, 1 BvR 384/05

Fazit:

Mit seinem Beschluss vom 24.01.2007 hat das Bundesverfassungsgericht den We ge zur höchstrichterlichen Klärung der Frage geebnet, ob Mobilfunkanlagen als in einem reinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässige fernmeldetechnische Anlagen im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO 1990 qualifiziert werden können. Im Rahmen des § 14 Abs. 2 BauNVO 1962/1968/1977, welcher lediglich von der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen sprach, wurde dies stets verneint. Mit der Änderung der Baunutzungsverordnung im Jahre 1990 wurde § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO eingeführt, wonach ausdrücklich auch fernmeldetechnische Anlagen ausnahmsweise zulässig sein können. Die Oberverwaltungsgerichte sind sich nicht einig, ob auch Mobilfunkanlagen als fernmeldetechnische Nebenanlagen qualifiziert werden können. Der 4. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat dies in seinem Beschluss vom 29. Juli 1999 (Az.: 4 TG 2118/99) für eine 7,60 m hohe Antennenanlage für den Mobilfunk verneint. Das nordrhein-westfälische Verwaltungsgericht hingegen hat die Frage in seinem Beschluss vom 25. Februar 2003 (Az.: 10 B 2417/02) ausdrücklich offengelassen. Sollte die vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Rechtssache das Bundesverwaltungsgericht erreichen und sollte dieses zu dem Ergebnis kommen, dass § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO einschlägig ist, bestünde für Mobilfunkanlagen eine vereinfachte Genehmigungsfähig keit. Solange noch keine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für derzeit anhängige Verfahren zur Folge, dass die Berufung oder Revision bezüglich unter Hinweis auf § 14 Abs. 2 S. 2 BauNVO abgelehnte Klagen unter dem Aspekt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen werden müssen. Zu beachten ist hierbei, dass die Grundsätzlichkeit der Rechtssache dann gesondert dargelegt werden muss, wenn schon das Gericht der Vorinstanz seine Entscheidung auf § 14 Abs. 2 S. 2 ...

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